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Warum Gesetze allein nicht reichen — LSBTI im Kosovo

LGBTI Equal Rights Association for Western Balkans and TurkeyBericht von der LSBTI-Menschenrechtskonferenz in Pristina 

Der Kosovo wurde 2008 unabhängig und von Deutschland und 22 weiteren EU-Mitgliedsstaaten umgehend anerkannt. Das Land hat sich dem Minderheitenschutz verpflichtet. Einvernehmliche (homo-)sexuelle Handlungen unter Erwachsenen sind straffrei — dies gilt selbstverständlich nicht im Falle einer einseitigen Abhängigkeit. Minderheiten genießen Diskriminierungsschutz. Die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX ist im Kosovo seit Jahren aktiv, um den Aufbau eines Justiz- und Polizeiwesens zu unterstützen und es an die EU-Standards anzunähern.

Das Land leidet jedoch immer noch unter der weit verbreiteten Korruption und einer Wirtschaftskrise.  35 % der Kosovar_innen sind arbeitslos, besonders unter Jugendlichen ist die Quote mit 60 % erschreckend hoch. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 30. Hunderttausende Kosovar_innen leben und arbeiten fern der Heimat, in der EU und der Schweiz.

Trotz des auf dem Papier existierenden Minderheitenschutzes, bemängeln LSBTI-Aktivist_innen, dass es besonders in ländlichen Regionen große Probleme mit Homosexuellenfeindlichkeit und Transphobie gibt. Sie fordern daher, dass die bestehenden Gesetze endlich angewendet werden müssten.

Center for Social Group Development (CSGD) in Pristina

Agim MarAgim Margilaj vom Center for Social Group Development (CSGD) in Pristina © Klaus Jetzgilaj vom Center for Social Group Development (CSGD) in Pristina erklärte mir, dass seine Organisation, die bereits 2002 gegründet wurde, allein in den letzten vier Jahren in 17 Fällen von homophober und transphober Gewalt aktiv wurde. Besonders mit Rechtsberatung, psychologischer Opferbetreuung und der Vermittlung von Anwält_innen konnte die Organisation unterstützen. Der erste Fall der vor Gericht gebracht werden konnte, betraf einem Übergriff auf zwei schwule Männer am Arbeitsplatz. Das Gericht in Ferizaj hat die beiden Täter erst vor Kurzem zu fünf Monaten Haft bzw. vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Center for Social Group Development ist mit dem Urteil nicht zufrieden, denn das Gericht habe auf “Anstachelung zum Hass” entschieden, anstatt den Fall als Hassverbrechen zu werten. Das Gesetz gegen Hassverbrechen schließe ausdrücklich das Motiv der sexuelle Orientierung der Opfer mit ein, in diesem Fall wären die Strafen höher ausgefallen, so Agim. Zudem wäre es ein klares Signal gegen homophobe Gewalt im Land gewesen.

Agims Organisation leistet auch Überzeugungsarbeit bei Regierung und Parlament. Der Premierminister habe eine Beratergruppe für die Belange von LSBTI eingerichtet, in der auch das CSGD vertreten ist. Sie wird von den Ministerien und Parlamentsausschüssen bei Gesetzesvorhaben angehört. Zudem sensibilisiere man Polizei und Staatsanwaltschaften zu LSBTI-Fragen. Die Mitgliedschaft beim regionalen Dachverband LGBTI Equal Rights Association (ERA) sei ebenso wichtig, da das CSGD so in die internationale Lobbyarbeit gegenüber EU, UN, Europarat oder OSZE eingebunden sei. Agim betonte auch, dass die internationale Unterstützung für große Fortschritte im Kosovo, besonders bei LSBTI-Fragen, gesorgt habe. Von der Bundesregierung erwartet er Unterstützung im Zusammenhang mit der EU-Annäherung des Kosovo. Die EU-Mitgliedschaft sei für das kleine Land überlebenswichtig und auch die große Mehrheit der zwei Millionen Einwohner strebe in die Europäische Union.

Klaus Jetz

Geschäftsführer LSVD-Bundesverband

Geschäftsführer der Hirschfeld-Eddy-Stiftung

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