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LGBT in Ägypten – Drei Jahre der Unterdrückung

#ColorsRNotShame Am 12. Dezember 2017, zwei Tage nach dem offiziellen Tag der Menschenrechte, gab Ahmed Mohamed, ein Menschrechtsverteidiger aus Ägypten, einen tiefen Einblick in die menschenrechtliche Situation in Ägypten.  Ahmed Mohamed absolviert ein dreimonatiges Praktikum beim LSVD im Rahmen des CrossCulture Programms (CCP) des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart.

Bei der Veranstaltung in Köln berichtete er detailliert und mit vielen Beispielen über die willkürliche Verhaftungen, Folter und das Verschwinden von Menschen in Ägypten. Ereignisse, die unter der Herrschaft von Abdel Fattah al-Sisi in unvorstellbarem Maße zugenommen haben. Durch Maßnahmen bis hin zur Zwangsschließung wurden die kritischen Medien beseitigt. Überlebt haben die Medien, die auf Staatslinie sind. Durch ein neues Demonstrationsrecht und die Blockade von inzwischen 465 Webseiten, darunter Human Rights Watch und Deutsche Welle (Qantara), ist die Meinungsfreiheit und ‑vielfalt nahezu zum Erliegen gekommen. Passwörter sind nicht mehr geheim. Der ägyptische Geheimdienst und selbst die Polizei haben, auch mit Hilfe europäischer Unterstützung und mit der Begründung der Terrorabwehr, inzwischen weitgehende technische Möglichkeiten. Zudem werden bei Kontrollen und Verhören regelmäßig Passwörter von Email- und Social Media-Konten erzwungen. 

Im Laufe des Vortrags von Ahmed Mohamed, der für das Netzwerk Rainbow Egypt tätig ist, wird immer deutlicher, wie unglaublich desaströs und ausweglos  die Situation für die andersdenkenden Menschen in Ägypten ist. Doch der Blick auf die Situation speziell von LSBT in Ägypten zeigt, dass es noch schlimmer geht.

Ahmed Mohamed erzählt von über 400 verhafteten LSBT seit Oktober 2013. Über Apps wie Grindr werden Schwule in eine Falle gelockt, bei Razzien in beliebten Treffpunkten aber auch zu Hause werden LSBT verhaftet. Dabei gibt es in Ägypten derzeit gar keine Vorschriften, die homosexuelle Handlungen explizit verbieten. Herangezogen wird in der Regel ein Gesetz, dessen Ursprünge auf die britische Kolonialzeit zurückgehen und das „sexuelle Ausschweifungen“ und die „Anstachelung“ zu solchen Ausschweifungen mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. In der Praxis werden Tatbestände oft „aufaddiert“, so dass es zu einem Vielfachen von drei Jahren Haft kommen kann. Ohnehin ist das Leben eines Beschuldigten sowohl in finanzieller als auch in gesellschaftlicher Hinsicht ruiniert. Man verliert seine Arbeit und wird von der Gesellschaft, häufig auch von der gesamten Familie, geächtet. Ägypten praktiziert auch immer noch die von der UN als Folter bezeichneten sogenannten Analuntersuchungen. 

Und seit dem Konzert der libanesischen Band Mashrou‘ Leila, bei dem einige Fans im Publikum die Regenbogenfahne geschwenkt haben, ist alles noch schlimmer geworden. Seit dem 22. September 2017, dem Tag des Konzerts, sind mehr als 100 Menschen verhaftet worden, 49 von ihnen sind schon zu Gefängnisstrafen zwischen sechs Monaten und sechs Jahren verurteilt worden. Sehr persönlich wurde es, als Ahmed Mohamed das Schicksal von seiner guten Freundin Sara Hegazyund seinem Bekannten Ahmed Alaa und schilderte, die derzeit in Haft sitzen und denen wegen angeblicher verfassungsfeindlicher Aktivitäten bis zu 15 Jahre Gefängnis drohen. Die Verhaftungswelle nach dem Konzert wird durch eine Kampagne der Medien unterstützt. Selbst Privatpersonen gehen auf die Jagd oder denunzieren ihre Nachbarn. Auch die Oberhäupter der muslimischen und der koptischen Gemeinden wenden sich in Reden gegen LSBT und bezeichnen sie als krank. Ganz aktuell unterstützt eine Gruppe von Abgeordneten einen neuen Gesetzentwurf, der nun auch endlich konkret Homosexualität, jegliche Symbole der Community und jedwede Unterstützung ausdrücklich unter Strafe stellen soll. Die geplanten Strafen gehen bis zu 5 Jahren und können selbstverständlich wieder aufaddiert werden.  Der Entwurf soll demnächst im ägyptischen Parlament beraten werden. Die aktuelle Stimmung in Ägypten lässt einen Erfolg befürchten.

Proteste ausländischer Regierungen und staatlicher Organisationen gegen die gesamte Entwicklung, aber auch gegen diese ungeheuren aktuellen Menschenrechtsverletzungen sind verglichen mit dem Ausmaß der Katastrophe gering.

Neben einem Forderungskatalog für ausländische Regierungen hat die Alliance of Queer Egyptian Organizations, ein Zusammenschluss von ägyptischen Netzwerken und Organisationen,  zum Protest durch das Posten von Fotos mit dem Hashtag ColorsRNotShame aufgerufen.

Guido Schäfer
Hirschfeld-Eddy-Stiftung



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