Warum Crowdfunding für ein wissenschaftliches Projekt?
Im Vorfeld der Bundestagswahl in Deutschland und der Nationalratswahl in Österreich hat ein Team von Politikwissenschaftler*innen Wahlstudien auf den Weg gebracht, um das Wahlverhalten von LGBTIQ*-Personen, politische Einstellungen und politisches und gesellschaftliches Engagement in den beiden Ländern zu untersuchen. Dieses Projekt wird teilweise über Crowdfunding finanziert. Crowdfunding für ein wissenschaftliches Projekt – das ist bislang (noch?) eher ungewöhnlich. Folgende Gründe haben uns bewogen, diesen unkonventionellen Weg zu beschreiten:
In Deutschland und Österreich haben sich die Queer Studies seit den 1990er-Jahren langsam aber sicher als eigene Forschungsdisziplin etabliert. Interessante Schwerpunkte werden inzwischen in Lehre und Forschung thematisiert, dennoch fristen die Queer Studies nach wie vor eine Nischenexistenz. Dies gilt insbesondere für empirisch ausgerichtete Forschung und vor allem für die Wahlforschung. Bislang gab es noch keine Wahlstudie zur LGBTIQ*-Community in Deutschland bzw. Österreich. Es fehlen weiterhin Institutionen, die in diesem Bereich der Forschung kontinuierlich aktiv sein können. Solche Strukturen müssen erst noch – wie sie einst auch für die Gender Studies geschaffen wurden –nach und nach weiter aufgebaut werden.
Die Universitäten in Deutschland und Österreich sind öffentlich finanzierte Einrichtungen. Tatsächlich ist es allerdings so, dass wesentliche Teile der Gelder, die für die Forschung benötigt werden, von den Wissenschaftler*innen selbst über so genannte Drittmittel eingeworben werden müssen. Diese Drittmittel können beispielsweise bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, bei Ministerien oder Stiftungen beantragt werden oder werden auch von Unternehmen und anderen Institutionen für Auftragsforschung vergeben. In diesem Kontext ist es außerordentlich schwierig, Drittmittel für Themen jenseits des Mainstreams einzuwerben. Dies gilt im besonderen Masse für Projekte im Bereich der Queer Studies, die sich nur vereinzelt im Portfolio dieser Forschungsförderung finden. Die konventionellen Wahlstudien, die es bislang gibt, werden von großen Medienunternehmen, Parteien oder eben über Drittmittelforschung finanziert. In all diesen Studien wird jedoch lediglich von einem binären Geschlechtsmodell ausgegangen und der sexuellen Vielfalt spielt keine Rolle.
Viele Forscher*innen an Universitäten in Deutschland und Österreich sind befristet und Teilzeit beschäftigt. Vom statistischen Bundesamtes veröffentlichte Zahlen zeigen, 26% des wissenschaftlichen Personals in Deutschland über Drittmittel finanziert wird. 87% der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind lediglich befristet angestellt. Insbesondere für Nachwuchswissenschaftler*innen ist diese Situation belastend. Sie arbeiten in Projekten mit, deren Finanzierung letztlich oft ungewiss ist bzw. arbeiten mehr Stunden, als tatsächlich vertraglich vereinbart wurde.
Unter diesen Rahmenbedingungen haben wir als Team mit der Arbeit an unserem Projekt, LGBTIQ*-Wahlstudien zu machen, bereits 2015 begonnen. Wir halten dies aus wissenschaftlichen, aber natürlich auch aus politischen Gründen für sehr wichtig – geht es doch darum, die Sichtbarkeit der LGBTIQ*-Community zu erhöhen, Vorurteile abzubauen und dafür zu kämpfen, dass diese Minderheit in Wissenschaft und Politik endlich angemessen wahrgenommen wird. Die Ergebnisse unserer Arbeit werden online veröffentlicht. Wir wollen damit in der LGBTIQ*-Community und natürlich auch in den Parteien und in NGOs Diskussionen anregen. Und natürlich setzen wir uns dafür ein, die Queer Studies in Deutschland und Österreich endlich als eigenständigen Forschungsbereich stärker zu etablieren.
Unser Projekt arbeitet aktuell ohne finanzielle Unterstützung von Dritten und lebt von dem Engagement des Teams, unserer Projektpartner*innen und unserer Unterstützer*innen. Eine solche Wahlstudie durchzuführen ist sehr arbeitsintensiv und daher möchten wir gerne Niklas Ferch und Michael Hunklinger, die seit Beginn an diesem Projekt aktiv mitgearbeitet haben, eine adäquate Bezahlung ermöglichen. Wir hatten bei den Pilotstudien in Wien und Berlin eine unerwartet hohe Anzahl von Teilnehmer*innen. Daten müssen bereinigt und analysiert werden. Zudem haben wir sehr viele Freifelder, um jenseits von vorgegebenen Kategorien einen qualitativen Input von LGBTIQ*-Menschen zu bekommen. Gerade die Bearbeitung dieser Teile der Studie ist sehr aufwendig. Niklas Ferch und Michael Hunklinger, die beiden wissenschaftlichen Hilfskräfte in diesem Projekt, haben das mit sehr viel Zeit und Leidenschaft für die Pilotstudie getan und sich viele Stunden unentgeltlich für dieses Projekt engagiert. Auch wenn das bei solchen Projekten häufig so ist, möchten wir das ändern und den beiden eine faire Bezahlung gewährleisten.
Wir benötigen mindestens 9.000 Euro um Niklas Ferch und Michael Hunklinger für einen Zeitraum von drei Monaten an der Justus-Liebig-Universität Gießen in diesem Projekt zu beschäftigen. Dies gewährleistet eine saubere Aufbereitung sowie eine erste Auswertung der Daten, die wir mit dem Survey erheben. Darüber hinaus benötigen wir die doppelte Zeit für eine detaillierte Auswertung und Präsentation der Daten. Insofern liegt unsere Wunschsumme bei 20.000 Euro.
Wir bitten Dich um Deine finanzielle Unterstützung für unsere Arbeit. Die Idee von Crowdfunding ist, dass viele kleine Spenden gemeine Projekte möglich machen. Deine Spende ist ein wichtiger Beitrag für die politischen Interessen der LGBTIQ*-Community und für die Queer Studies und mehr Diversity im Mainstream der aktuellen Forschung.
Niklas Ferch BA, Michael Hunklinger MA, Prof. Dr. Dorothée de Nève, Dr. Tina Olteanu
Forschungsteam
Link zu unserer Crowdfunding Plattform: https://www.startnext.com/lgbtiq-wahlstudie
Link zur LGBTIQ*-Wahlstudie: http://www.univie.ac.at/lgbt-wahlstudie/
Kontakt: info@lgbtiq-wahlstudie.eu