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LSBTI-Jugendliche, Schule und Eltern: Das Schweigen überwinden

Ein hoch interessantes Panel beschäftigte sich am letzten Tag der Konferenz mit dem Thema junge und heranwachsende LSBTI. Es war divers besetzt und brachte Stimmen aus Albanien, Mazedonien, Serbien und Deutschland zusammen. Frank Morawietz vom Deutsch-Französischen Jugendwerk aus Berlin, der auch ein DFJW-Austauschprogramm mit dem Westbalkan in Albanien betreut, hob zunächst die Bedeutung solcher breit aufgestellten LSBTI-Konferenzen für die gesamte Region hervor. Die Wirkung solcher Events könne nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das DFJW bringe jährlich 200.000 Jugendliche zusammen mit dem Ziel des Kennenlernens und gegenseitigen besseren Verstehens. Es sei Vorbild für ein ähnliches Austauschprojekt zwischen Frankreich, Deutschland und dem Westbalkan.

Er berichtete dann sehr persönlich von seinen Erlebnissen als Vater eines Trans*Jungen. Er sei in einer Zeit geboren, als in Deutschland vieles tabuisiert und kriminalisiert wurde (§ 175). Erst 1968 habe Bewegung in viele Dinge gebracht. Zweieinhalb Jahre habe der gesamte Prozess des Übergangs von einer Tochter zu einem Sohn gedauert. Selbst in einer so offenen Stadt wie Berlin sei diese Zeit alles andere als leicht gewesen, da die bürokratischen Mühlen langsam mahlen und sein Kind eine schwere Zeit durchlebt habe, mit vielen Krisen, Sitzungen mit Psychiatern, Klinikbesuchen. Hinzu kamen negative Erlebnisse in der Schule, verbale Übergriffe durch die Mitschüler*innen. Auch wenn er als Vater eines Trans*Kindes keine Diskriminierung, sondern sehr viel Unterstützung erlebt habe, so sei doch festzustellen, dass es an Beratungsangeboten für die Eltern mangele. Sie werden allein gelassen mit ihren Fragen und Selbstzweifeln an ihrer erzieherischen Kompetenz. Es fehle in Deutschland noch immer an Angeboten für Eltern von LSBTI und an Angeboten für Lehrer*innen zum Thema.

Im DFJW-Austauschprogramm spiele das Thema LSBTI eine immer größere Rolle. In Albanien habe er selbst die Isolation von jugendlichen LSBTI erlebt, als er bei einem Treffen versuchte, die Situation von LSBTI zu thematisieren. Wenn er sich die Situation in Berlin vor Augen führe, dann könne er ermessen, welchen Leidensweg junge LSBTI im Kosovo, Serbien, Mazedonien oder Albanien durchleben.

Das DFJW werde in den kommenden Jahren LSBTI-Themen in einigen Programmen aufgreifen, auch in den Programmen des Regional Youth Cooperation Office (RYCO), einer Institution mit Sitz in Tirana, die von Zivilgesellschaft und Regierungen gegründet wurde. Konkret werde man versuchen, junge LSBTI in Austauschprogramme mit Frankreich, Deutschland und dem Westbalkan zu bringen.

Livia Zotrija von der Alliance against Discrimination LGBT aus Albanien, berichtete von den großen Herausforderungen, die ihre Organisation mit den Behörden bei der Arbeit in Schulen zu bewältigen hatte. Es gebe zwar gute Gesetze, doch diese werden nicht umgesetzt. So sei trotz des seit 2010 bestehenden Antidiskriminierungsgesetzes die Situation von LSBTI katastrophal, es gebe Rückschritte zu verzeichnen. Ihre Organisation stehe in Kontakt zu kommunalen Verwaltungen, man gehe in die Schulen, um Mobbing und das Problem der minderheitenfeindlichen Anfeindungen unter Schüler*innen anzugehen. Als dann die Medien davon erfuhren und berichteten, starteten einige Politiker*innen homophobe Kampagnen, und niemand verteidigte das Projekt und die wichtige Arbeit ihrer Organisation, obwohl diese mit den Behörden abgesprochen war. Allein der albanische Ombudsman sprach sich nach einer Woche für das Projekt aus, doch nach drei Wochen negativer Schlagzeilen musste das Projekt schließlich begraben werden.

Lina Kostarova vom mazedonischen Center for Psycho-Social and Crises Action berichtete von ihrer ersten Begegnung mit einer Trans*Person vor 25 Jahren. Trotz langjähriger professioneller Erfahrung als Psychologin spricht sie von einem Schockerlebnis, da sie sich der Verzweiflung und Isolation der Hilfe suchenden Person bewusst wurde, die keine Vorstellung davon hatte, wie sie mit ihrer Familie über ihre Situation sprechen könnte. Junge LSBTI in Mazedonien fragen sich, wie sie mit anderen zusammen leben können in einer Gesellschaft, wo LSBTI-Themen ein großes Tabu sind. Auch auf fachlicher Ebene werde sehr viel improvisiert, es gebe enorme Wissenslücken, Vorurteile und Stereotypen würden in den Köpfen der Kinder und Eltern verankert. Lehrer*innen und Eltern glaubten noch immer, je weniger die Kinder wüssten, umso beschützter seien sie. Eltern von Trans* oder Inter-Personen erfahren kaum Unterstützung, sie laufen von einem Doktor zum nächsten und jeder erzähle ihnen etwas anderen, bis sie schließlich bei religiösen Gruppierungen landeten. Die Schulen aber müssen eine inklusive Umgebung schaffen und Kinder müssen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wenn die Prinzipien der Nichtdiskriminierung, Gleichheit und Teilhabe nicht beachtet werden, dann sind die Kinder in Gefahr, so Lina Kostarova. In Mazedonien fehle es an alledem, ihre Organisation arbeite daran, doch dies sei nur ein Tropfen im Ozean.

Kristian Randjelovic von XY Spectrum in Belgrad arbeitet mit LSBTI-Kindern und ihren Eltern. Er freut sich über die „neue Generation nicht-binärer Jugendlicher“. In Privatschulen in Serbien spielten LSBTI-Themen keine Rolle, weil man die Eltern „damit nicht belasten“ wolle. Zentral sei die Arbeit zu Schulbüchern, die viele diskriminierende Texte oder eben Lücken enthielten. Wichtige Informationen würden den Schüler*innen vorenthalten. Intergeschlechtliche Jugendliche erleiden Verletzungen ihrer körperlichen Anatomie. Und die Eltern litten an einem Stigma, über das nicht gesprochen werde, weder in den Kliniken noch in Beratungsstellen. „Sie werden ganz einfach allein gelassen, und die Expert*innen wollen „ein Problem lösen und ein Geschlecht des Neugeborenen festlegen, entweder ein Junge oder ein Mädchen.“  Das Schweigen setze sich fort, die Eltern redeten nicht mit ihren Kindern, auch nicht über die vielen Narben auf dem Körper des Kindes, und die Kinder untereinander müssten sich erst finden, um miteinander über ihre Erlebnisse und ihre Probleme reden zu können.

Klaus Jetz, LSVD-Geschäftsführer

 

 

 



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