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Hirschfeld-Eddy-Stiftung Veranstaltungen

LSBTI-Rechte-Advocacy im Kontext der Sexual Rights Advocacy

Elfriede Harth - Foto: Hirschfeld-Eddy-Stiftung/ Caro KadatzEinführungsreferat von Elfriede Harth, (Católicas por el Derecho a Decidir de España), anläßlich der Veranstaltung “Kick-off: Yogyakarta-Allianz — Ein zivilgesellschaftliches Bündnis für eine LSBTI-inklusive Entwicklungs- und Außenpolitik” im Deutschen Institut für Menschenrechte, 26. April 2013.

Zunächst vielen Dank für die Einladung. Católicas por el Derecho a Decidir – Spanien ist das spanische Mitglied des Lateinamerikanischen Netzwerkes Katholikinnen für das Recht auf Selbstbestimmung (Red Latinoamericana de Católicas por el Derecho a Decidir), ein Netzwerk, das außer in Spanien in neun lateinamerikanischen Ländern präsent ist, in denen die katholischen Kirche immer noch einen bedeutenden institutionellen Einfluss auf die politische Klasse und darüber hinaus auch in der Gesellschaft ausübt. Wir kämpfen für eine Veränderung kultureller und politischer Muster in der Gesellschaft und in den institutionalisierten Religionen, damit Gendergerechtigkeit und sexuelle und reproduktive Rechte Wirklichkeit werden. Wir arbeiten zusammen mit Feministinnen, mit progressiven KatholikInnen und mit allen, die sich für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzen. Advocacy auf diversen Ebenen ist einer unserer Haupttätigkeiten.

Was haben wir dabei gelernt? Dass Erfolg kein Zufall ist.

Um Gendergerechtigkeit und sexuelle und reproduktive Rechte voranzubringen, ist es notwendig, ganz klar zu wissen, was man erreichen will. Zum Beispiel soll Deutschland auf ein bestimmtes Land Druck ausüben damit dort die Rechte sexueller Minderheiten anerkannt und respektiert werden. Oder ich will, dass sich Deutschland international einsetzt für eine Konvention in Sachen LSBTI-Rechte.

Um das zu erreichen muss ich mich kundig machen, WER die institutionelle Macht hat, dass dieses Ziel erreicht wird, also auf dieses Land Druck auszuüben oder solch eine Konvention von der UNO verabschiedet wird. Ich muss herausfinden, welche institutionellen Mechanismen es überhaupt gibt. Also Bescheid wissen, wie deutsche Außenpolitik funktioniert. Ich muss wissen, wie diese Institutionen funktionieren, denn jede hat ihre genau festgesetzten Prozeduren, an die ich mich halten muss, und die mir ja auch diverse Möglichkeiten bieten, denn wir leben in einem System der partizipativen Demokratie.

Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einer immer komplexer werdenden Welt leben und es auch an uns liegt, dass diese Welt so wird, dass gutes Leben für alle darin möglich ist. Dass wir für kleine Ausschnitte aus dieser Komplexität eine Expertise haben, die keiner sonst hat, weil wir in ganz bestimmten Bereichen als Zivilgesellschaft direkt Betroffene sind. Und die Institutionen unserer Demokratie können nur so gut sein, wie wir sie mitgestalten. Unsere politischen Entscheidungsträger können nur so gut sein, wie wir sie dazu herausfordern und in ihrer Arbeit unterstützen.

Und dann müssen wir wissen, wer in diesen Instanzen die konkreten Menschen sind, die diese Aufgaben dann auch tatsächlich umsetzen. Ob in einem Ministerium, in einem parlamentarischen Ausschuss, in einer Delegation bei der UNO, in einer deutschen Botschaft im Lande X. Mit diesen Menschen muss ich Kontakte aufbauen und Beziehungen pflegen.

Es von Vorteil wenn ich zunächst da ansetze, wo ich auf offene Ohren stoße. Ich versuche also innerhalb der Institutionen, Menschen zu identifizieren, die meiner Problematik freundlich gesinnt sind, die ich nicht erst mühsam „bekehren“ muss, um mit ihnen ein partnerschaftliches Verhältnis aufzubauen und als Mitstreiterinnen für meine Belange zu gewinnen. Oft sind es Personen in der zweiten Reihe, also z.B. parlamentarische ReferentInnen, oder SachbearbeiterInnen, oder der Sekretär eines höheren Beamten etc.. Wir müssen immer bedenken, dass wir es in Bürokratien und Institutionen mit Menschen zu tun haben, mit Mitbürgerinnen und ‑bürgern, denen es ebenfalls daran gelegen ist, eine Welt aufzubauen, in der gutes Leben für alle möglich ist. Ich kann ihnen mit meiner Expertise helfen, ihre Arbeit besser zu machen.

Ich muss allerdings auch bedenken, dass mein Anliegen in den Augen der Personen, die in diesen Behörden sitzen, nur eines unter vielen ist. Meine Aufgabe besteht darin, es in der Liste ihrer Prioritäten so weit wie möglich nach oben zu bekommen.

Ein ganz wichtiges Element meines Erfolgs besteht daher in dem Diskurs, in den ich meine Botschaft kleide. In der Kommunikation. Es muss eine Botschaft sein, die anspricht, die Lust macht, sich dafür einzusetzen. Möglichst kein Klagelied und keine Schmähschrift, sondern eine Perspektive für die Verwirklichung eines guten Lebens für alle. Ich muss immer daran denken, dass meine AnsprechpartnerInnen in einem Einsatz für mein Anliegen etwas entdecken müssen, das auch für sie eine persönliche Gratifikation bringt. Und ich darf nicht vergessen, dass für alle der Tag nur 24 Stunden hat. Daher mein Anliegen kurz und prägnant formulieren!

Wenn es um UNO Berichte etc.. geht, muss ich die prozeduralen Regeln und die Diktion jeder Institution sehr genau kennen und mich strikt daran halten.

Und dann sind da noch die Medien. Ganz wichtig für Advocacy, denn über die kann ich die Öffentlichkeit erreichen und gewinnen. Und ein Teil der Öffentlichkeit sind auch die politischen Entscheidungsträger. Auch hier einen Diskurs entwickeln, der möglichst griffig ist, so dass meine Argumente fast als Slogans benutzt werden können. Allerdings, und das ist die Kunst, muss meine Argumentation, wo nötig, so differenziert wie möglich sein. Mein journalistisches Gegenüber muss meine Botschaft leicht verwerten können. Damit unterstütze ich auch seine Arbeit.

Wenn wir für die Verwirklichung der Menschenrechte arbeiten, arbeiten wir für den kulturellen Wandel. Ich muss also so viele Menschen ins Boot bekommen wie möglich damit sich die Hindernisse auf dem Weg zu einem guten Leben für alle so weit wie möglich reduzieren. Um das zu erreichen suche ich Verbündete in der Zivilgesellschaft, weil eben wegen der Komplexität unserer Welt, ein Kampf im Alleingang einfach sehr schwer ist und meine Organisation nicht alle Fronten abdecken kann. Und weil wir alle verschiedene Fähigkeiten und Kapazitäten haben, die sich oft gut ergänzen. Allianzen mit NGOs, die für andere Menschenrechte kämpfen, können fruchtbar sein. Ich muss sie daran erinnern, dass Menschenrechte unteilbar sind und ihr Kampf meiner ist, mein Kampf ihrer. In Argentinien geht diese Strategie auf. So haben sich die NGOs, die sich für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzten z.B. mit den Menschenrechtsorganisationen zusammengetan, die für Vergangenheitsaufarbeitung kämpfen, und dafür ihre Sympathie und Unterstützung gewonnen. Argentinien war das erste Land, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Lateinamerika einführte, und nun steht die Straffreiheit der Abtreibung auf der Agenda.

Nun wissen wir, dass es im Kampf um Rechte, die mit Gender, Sexualität, Partnerschaft, Familie, Fortpflanzung, würdiges Sterben und Religions- und Gewissensfreiheit zu tun haben, einen gemeinsamen Gegner gibt, nämlich fundamentalistische Gruppen um oder selbst innerhalb der institutionalisierten Religionen. Der gemeinsame Gegner verbündet. Ich muss allerdings zusehen, dass aus der negativen Solidarität, die am Anfang dieser Allianz steht, möglichst bald eine positive Solidarität wird. Wichtig ist es hier, diesen „Gegner“ einmal genau zu analysieren, denn spätestens seit unserer pluralistischen Moderne, gibt es keine schwarz-weiße Realitäten mehr, sondern sehr viel graue Schattierungen oder gar bunte Vielfalt. So sind besonders solche Organisationen oder Personen interessant, die innerhalb des gegnerischen Lagers eigentlich auf meiner Seite stehen. In der katholischen Kirche gibt es so z.B. neben dem Vatikan und dem Opus Dei viele progressive Mitglieder und Organisationen, z.B. uns. Ja inzwischen sind wir weltweit in der Mehrheit, wie viele Studien belegen. Leute wie wir können z.B. von innen mit einer ganz anderen Legitimität die Autorität des Vatikans in Frage stellen.

Allerdings gibt es auch die „Fundis“, denen ich ausweiche, während ich sie aber genau zu kennen versuche.  Ich weiche ihnen aus, weil eine Konfrontation mit ihnen nur polarisiert, sie aufwertet und sehr viel Energie bindet, die besser produktiver investiert wird. Aber ich beobachte sie genau und achte darauf, dass sie z.B. nicht den Menschenrechtsdiskurs für ihre Anliegen instrumentalisieren, wie es z.B. jetzt mit der Konvention der Rechte von Menschen mit Behinderung im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch geschieht.

Und last but not least muss ich die relevanten Akteure in den Partnerländern kennen, die die Deutsche Außenpolitik in Sachen Sexuelle Rechte unterstützen soll. Wer sind die relevanten NGOs? Wer macht was wie in der Deutschen Botschaft oder in den sonstigen von Deutschland finanzierten Organisationen vor Ort? Wie werden institutionelle Möglichkeiten genutzt oder was kann getan werden damit sie genutzt werden, wie UN Menschenrechtsberichte, Planung und Berichterstattung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland oder der EU?

Zum Veranstaltungsbericht zur Kick-off-Veranstaltung



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