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Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“

Sylvia Löhrmann (stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen), Jörg Steinert (LSVD Berlin-Brandenburg) und Malu Dreyer (Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz) und Irene Alt (Ministerin für Integration Rheinland-Pfalz), Harald Petzold (MdB) (c) LSVDDokumentation der Rede von Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, in der 934. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2015 zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drs. 273/15) und Entschließung des Bundesrates: “Ehe für alle –Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren” (Drs. 274/15) (TOPs 47 a und b)

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ – das hat das Votum in Irland sehr eindrucksvoll gezeigt.

Das irische Volk hat klar Ja gesagt zur Öffnung der Ehe. Das ist eine gute Nachricht. Die Menschen in Irland haben zum Ausdruck gebracht: Es gibt keinen Grund, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe weiter vorzuenthalten. Dass dieser Impuls aus einer katholischen Bastion wie Irland kommt, mag kurios erscheinen, ist aber nur konsequent; denn es entspricht auch christlicher Vorstellung, auf Dauer füreinander einzustehen und Verantwortung zu übernehmen.

Auch ich selbst als Christin, als Katholikin, habe das Verständnis, dass man die Bibel, wenn sich Menschen lieben und auf Dauer füreinander einstehen, eigentlich nicht christlicher interpretieren kann. Dass sich unsere Kirchen dabei unterschiedlich schwertun, ist auch klar. Dennoch glaube ich: Es ist Zeit, dass wir die Ehe für alle öffnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Deutschland zu diesem Schritt längst bereit ist.

Im Jahr 2001 hat die rotgrüne Bundesregierung die Einführung der Lebenspartnerschaft gesetzlich ermöglicht. Seitdem hat sich das Bewusstsein in der Bevölkerung sehr geändert.

Es ist daher gut, dass das Bundeskabinett zuletzt den Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner beschlossen hat. Er schafft zwar keine umfassende rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft, macht aber viele kleine weitere Schritte auf dem Weg dorthin. Es gibt immer noch Dinge, die Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, verwehrt bleiben. Vor allem dürfen sie die Ehe nicht eingehen. Das ist aus unserer Sicht eine klare Diskriminierung, die man heutzutage kaum mehr verstehen kann.

Deshalb überrascht es mich nicht, dass die Bevölkerung in Umfragen seit Jahren mehrheitlich dafür ist, die Ehe zu öffnen. Ich bin fest davon überzeugt: Gäbe es in Deutschland einen Volksentscheid, würden die Menschen in unserem Land klar für die Öffnung der Ehe votieren.

Anders als in vielen anderen Ländern wurde in Deutschland die Rechtsentwicklung leider fast immer nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch das Bundesverfassungsgericht bestimmt. Das hatte damit zu tun, dass wir politisch eigentlich nie Einigkeit gefunden haben, um die notwendige Rechtsentwicklung tatsächlich umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht stellte immer wieder fest, dass es nicht begründbar sei, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten oder mit geringeren Rechten zu versehen sind.

Gilt der Satz „Wer Rechte hat, muss auch Pflichten haben“, gilt doch umgekehrt auch der Satz „Wer die gleichen Pflichten übernimmt, muss auch die gleichen Rechte bekommen“! Nichts anderes gilt letztlich für die umstrittene Frage der Adoption. Wie bei heterosexuellen Partnern ist dabei das Kindeswohl entscheidend. Wenn man auch hier verfolgt, was nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon heute selbstverständlich ist – die Adoption auch für gleichgeschlechtliche Paare –, weiß man doch, dass dieser letzte Schritt überfällig ist.

Für mich ist auch entscheidend, dass sich das Bewusstsein in der Bevölkerung längst gewandelt hat. Selbst in der Umgangssprache wird die Lebenspartnerschaft als „Ehe“ bezeichnet. Welcher Mensch auf der Straße sagt, bitte, „Lebenspartnerschaft“! Diese künstliche Unterscheidung wurde schon im Jahr 2001 den homosexuellen Paaren nicht gerecht. Sie ist heute erst recht aus der Zeit gefallen. Wir sollten das akzeptieren und handeln. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Schritt richtig ist.

Wir im Bundesrat waren für die Öffnung der Ehe, und wir sind es heute mehrheitlich – denke ich – immer noch. Im Jahr 2013 haben wir eine Initiative gestartet und einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht. Damals stimmte erstmals ein deutsches Verfassungsorgan für die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare. Darauf können wir heute stolz sein. Zustimmung zu diesem Projekt gibt es längst über alle Fraktionen hinweg. Große Teile in der CDU denken heute genauso.

Es geht daher nicht darum, die letzte konservative Bastion – in Anführungszeichen – zu halten oder zu schleifen, sondern darum, etwas für die Menschen zu tun, was einigen sehr helfen und niemandem schaden wird, und endlich zu erfüllen, was in Artikel 3 unseres Grundgesetzes steht, dass nämlich alle in unserem Land gleiche Rechte haben.

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, die Länder haben heute erneut die Chance zu zeigen, dass der Bundesrat die gesellschaftliche Realität in diesem Land rechtzeitig erkennt und handelt. Ich bin froh und auch ein wenig stolz, dass Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Thüringen den aktualisierten Gesetzesantrag wieder mit uns einbringen und Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen ihm beigetreten sind.

Den Entschließungsantrag, der unsere Zielrichtung und Motivation ebenfalls beschreibt, stellen wir gemeinsam mit acht Ländern. Den übrigen Ländern reichen wir bewusst die Hand: Lassen Sie uns gemeinsam die ureigenen Interessen der Länder wahrnehmen und Politik für die Menschen machen – im Sinne der Gleichstellung! Deutschland würde es gut anstehen, wenn wir nicht wieder vom Bundesverfassungsgericht an irgendeinem Tag getrieben würden, sondern wenn wir, die politischen Akteure, die richtigen Entscheidungen treffen.

Herzlichen Dank.



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