Auf Einladung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung in Kooperation mit Interkontinental las und diskutierte die Autorin Trifonia Melibea Obono aus Äquatorialguinea in der InterKontinental BuchBar “One More Chapter” in Berlin mit Klaus Jetz, dem Geschäftsführer der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Sie sprachen im Juni 2025 über das Werk der Autorin, ihren Aktivismus und die aktive Rolle queerer und feministischer Bewegungen für gesellschaftliche Veränderungen auf dem afrikanischen Kontinent.
Melibea Obono wurde 1982 in Äquatorialguinea geboren. Sie promovierte in interdisziplinären Studien und Gleichstellungspolitik an der Universität Salamanca und erwarb einen Master in internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung an der Universität Murcia. An der Nationalen Universität von Äquatorialguinea unterrichtete sie mehr als zehn Jahre Journalismus und Politikwissenschaften.
Derzeit ist sie Postdoc-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität Duisburg-Essen. Die produktive Autorin hat mehrere Romane, Kurzgeschichten und zahlreiche Artikel zur Situation von LSBTIQ* in ihrem Land in spanischen Medien veröffentlicht. Ihre Romane, so La Bastarda (2018) oder La Hija de las Mitangan (2023), wurden mit internationalen Buchpreisen ausgezeichnet.
Am 13. Juni 2025 stellte die Autorin La Bastarda in der InterKontinental BuchBar One More Chapter vor. Es handelt sich um den ersten ins Englische übersetzten Roman einer Autorin aus Äquatorialguinea. Zudem ist er das erste Prosawerk des Landes, welches das Thema Homosexualität aufgreift. In Spanien wurde ausführlich berichtet, in Obonos Heimatland sorgte der Roman für einen Skandal und wurde umgehend aus dem Verkehr gezogen.
La Bastarda erzählt die Geschichte der verwaisten Teenagerin Okomo, die unter dem wachsamen Auge ihrer Großmutter lebt und davon träumt, ihren Vater zu finden. Da es ihr verboten ist, ihn zu suchen, nimmt sie die Hilfe anderer Ausgestoßener des Dorfes in Anspruch: ihren schwulen Onkel und eine Bande „mysteriöser“ Mädchen, die in ihrer sogenannten Unanständigkeit schwelgen. Okomo wird in ihre unerlaubten Verabredungen hineingezogen und verliebt sich in deren Anführerin, während sie gegen die starren Normen der Fang-Kultur rebelliert.
Melibea Obono ist aber auch eine bekannte LSBTIQ*-Aktivistin, die mit ihren Werken auf die Situation von Frauen und queeren Menschen in ihrer Heimat aufmerksam machen will. Sie ist zudem Mitbegründerin der Stiftung Somos Parte del Mundo. Die erstellt u.a. regelmäßig Berichte für den UN-Menschenrechtsrat (UPR-Verfahren) zur Situation von LSBTIQ* in Äquatorialguinea.
Auch über ihre Arbeit als Aktivistin berichtete Melibea in Berlin. Eindrücklich schilderte sie die Rechtslage für queere Menschen, die noch unter Gesetzen zu leiden haben, die während der Kolonialzeit eingeführt wurden. Bis 1968 war Spanisch-Guinea Kolonie des faschistischen Franco-Regimes. Der Franquismus sei in ihrer Heimat noch immer virulent, so Obono.
Auf der rechtlichen Ebene ziehen die Behörden die Paragrafen aus der Franco-Zeit heran, um Homosexualität zu verfolgen, etwa die Ley de Vagos y Maleantes („Landstreicher- und Ganovengesetz“) aus 1954. Franquistische Hinterlassenschaften haben in der ehemaligen spanischen Kolonie überlebt. Genauso aber auch die traditionellen ablehnenden Einstellungen der Fang-Kultur in Bezug auf queere Menschen.
Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit würden in ihrer Kultur als Hexenwerk oder Krankheit angesehen, queere Menschen seien von bösen Geistern besessen. Die „Schande“ versuche die Familie durch „Heilung“ zu bekämpfen, durch „Therapien“, geheime Praktiken, die auf Bantu- oder christlich-katholischen Glauben zurückgingen. Mit verheerenden Folgen für die meist jugendlichen Opfer. All dies thematisiert Obono in ihrem Roman La Bastarda.
Und welche Rolle spielen queere Menschen in Westafrika überhaupt? Wir wissen, dass sie Aktivist*innen sind und wertvolle und wichtige Arbeit leisten. Aber wie werden sie von politischen Parteien, der Regierung oder externen Kräften benutzt oder instrumentalisiert? Welche Rolle spielen Mächte wie China, Russland, Europa oder Amerika in ihrer Region? Das Regime betrachte Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit als eine Angelegenheit oder Hinterlassenschaft Spaniens, der Weißen. Es gebe nicht einmal Bezeichnungen in der eigenen Sprache für queere Menschen. Diese Behauptungen zu korrigieren, schwarzen LSBTIQ* Stimme und Gesicht zu geben, sei eine der wichtigsten Aufgaben der Aktivist*innen, was sie wiederum in einem zutiefst queerfeindlichen Umfeld Gefahren für Leib und Leben aussetze.
Auch wenn das kleine Land am Golf von Guinea 200 Jahre lang spanische Kolonie war, die eigentlichen Akteure seien heute andere Mächte. Äquatorialguinea und die Nachbarländer seien sehr reich, schließlich gibt es riesige Vorkommen an Erdöl und Gas. Aber von den Erlösen komme beim Volk nicht viel an, die große Mehrheit lebe in Armut, allein die Eliten profitierten vom Erdölboom. Und die kooperierten eng mit US-Konzernen, China und Russland. Auch europäische Konzerne mischten mit. Die wirtschaftliche Konkurrenz sorge auch für einen Wettbewerb der Weltanschauungen. Spanien, Frankreich und die EU drängten vor allem vor Wahlen auf Demokratisierung oder pochten hin und wieder auf die Einhaltung der Menschenrechte in Kamerun, Guinea oder Gabun, gerade auch für queere Menschen. Evangelikale Gruppen aus den USA schürten Queerfeindlichkeit, ebenso Russland und China, die versuchten ihre autoritären Herrschaftsmodelle in afrikanischen Ländern zu implantieren, was gerade für queere Menschen große Gefahren berge.
Klaus Jetz, Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Eine Veranstaltung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung in Kooperation mit InterKontinental im Rahmen des Projekts: „Der pinke Faktor. Die Rolle von LSBTIQ* im globalen Streit um Werte, Ressourcen und Vorherrschaft“.