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Selbstbestimmt Leben

 LSVD-Arbeitsgruppe „Homosexualität und Alter“

Foto: Gay & Gray Stuttgart

Nicht nur wer jung ist oder in der Mitte des Lebens steht, möchte über sein Leben entscheiden. Auch ältere Lesben und Schwule wollen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben.

Die Biographien der heute über 60-Jährigen sind geprägt von einer Zeit der strafrechtlichen Verfolgung und gesellschaftlichen Ächtung – Erfahrungen, die zu Angst und Scham, aber auch zu Revolte und Stolz führten. Das prägt ihr Selbstbild und Verhalten bis heute. Die meisten Angebote im Alten- und Pflegebereich sind darauf zu wenig eingestellt. Viele Einrichtungen sind zudem in kirchlicher Trägerschaft, wo bereits die lesbischen oder schwulen Angestellten nicht offen sein können, ohne eine Kündigung zu riskieren. 

Eine der größten Probleme sind fehlende zwischenmenschliche Kontakte, sei es aufgrund eingeschränkter Mobilität, des Verlustes der Partnerin bzw. des Partners, eines eingeschränkten Freundeskreises oder mangelnder Angebote aus der Community. Eigene Kinder, die oft bei heterosexuellen Menschen Ansprechpartner sind, haben viele nicht. Umso wichtiger sind Selbsthilfestrukturen und Treffpunkte für ältere Lesben und Schwule. So gibt es zum Beispiel in Stuttgart die auch vom LSVD mitorganisierte Gruppe „Gay & Gray“. Die regelmäßigen Treffen sind für die Teilnehmenden eine wichtige Stütze im Alltag.
Städte und Kommunen müssen über Unterstützungsnetzwerke oder etwa Nachbarschaftsnetze und Besuchsdienste für ältere Homosexuelle informieren und diese auch fördern. Doch was ist mit all denen, die sich nicht mehr selbstständig versorgen können und auf Angebote der ambulanten und stationären Altenhilfe zurückgreifen müssen? Bisher gibt es nur in wenigen Städten Einrichtungen und Wohnformen, die sich explizit an Lesben und Schwule richten. So plant der LSVD Mecklenburg-Vorpommern Gaymeinsam als Teil seiner Altenarbeit ein Generationenhaus aufzubauen, in dem Jung und Alt zusammenleben und aufeinander acht geben. Dort soll es auch Plätze für pflegebedürftige Menschen geben. Doch der Bedarf ist sicher nicht nur dort höher als das Angebot. Folglich muss die vorhandene Infrastruktur offener werden und sich explizit auch an Homosexuelle richten.

Wie könnte solch ein inklusives Pflege- und Altenheim aussehen? Es ist ein Ort, an dem Lesben und Schwule ihre Biographien und eventuelle Lebenspartnerinnen und ‑partner nicht verschweigen müssen, sondern genauso wertgeschätzt werden. Es ist ein Ort, an dem sie vor Ausgrenzung durch andere Bewohnerinnen und Bewohner geschützt sind. Es ist ein Ort, an dem es Kultur- und Freizeitangebote für ältere Lesben und Schwule gibt. Dafür könnten unterschiedliche Heime auch gemeinsame Veranstaltungen oder Treffpunkte anbieten. Kurzum: Es ist ein Ort, an dem Lesben und Schwule offensiv und sichtbar willkommen sind.

Leitlinien für schwul-lesbische Seniorenarbeit

Dafür müssen Mitarbeitende und Pflegepersonal für das Thema durch Curricula, Aus- und Fortbildungen sowie Lehrbücher für Pflegeberufe sensibilisiert werden. Regenbogenkompetenz muss in die Zertifizierung der Altenhilfe einfließen und auf Best-Practice-Beispiele muss hingewiesen werden – etwa durch die Auszeichnung „Regenbogenschlüssel“ der niederländischen Organisation Roze 50+, die jüngst an zwei Frankfurter Häuser vergeben wurde.
Dafür sollte bei den Trägern von Alten- und Pflegeeinrichtungen, den Seniorenbeiräten, Wohlfahrtsverbänden und der Politik geworben werden. So hat der LSVD Sachsen-Anhalt an der Ausgestaltung der seniorenpolitischen Leitlinien der Stadt Magdeburg mitgearbeitet. Bundesweit sind aber auch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) wichtige Ansprechpartner.

Die Anknüpfungspunkte sind vielfältig, einige LSVD-Landesverbände arbeiten bereits zu dem Thema. Es ist daher sinnvoll, diese Erfahrungen in einer Arbeitsgruppe zu bündeln. Interessierte sich herzlich eingeladen, sich an Theo Kempf vom LSVD Hessen und Martin Pfarr vom LSVD-Bundesvorstand zu wenden. Denn wie heißt es in unserem Programm: Die Interessen von älteren Lesben und Schwulen sind in allen Bereichen der Seniorenpolitik und der Altenhilfe zu berücksichtigen.

Markus Ulrich, Bund-Länder-Koordinator

LSVD-Arbeitsgruppe „Homosexualität und Alter“
Kontakt: Martin Pfarr (Martin.Pfarr@lsvd.de)
und Theo Kempf (Theo.Kempf@lsvd.de)



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