Wie geht es Homo- und Transsexuellen?
Anlässlich der internationalen Menschen- rechtskonferenz in Belgrad (12. — 14.09.2014) berichtet Jovanka Todorović von Labris über die rechtliche und soziale Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in Serbien.
Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit
Vier Mal wurde die CSD-Parade in den letzten fünf Jahren verboten. Wir konnten lediglich Pride-Wochen durchführen, die fanden vier Jahre nacheinander statt, verliefen glatt und waren super organisiert. Das gleiche gilt für andere Events, wie etwa den IDAHO oder den Coming-out Tag. Aber CSD bleiben verboten.
Den einzigen CSD, den wir durchführen konnten, war der in 2010 – aber das nur in einem abgelegenen Stadtteil und unter massivem Polizeischutz (etwa 6.000 Polizeikräfte waren dabei). Die Gegendemonstranten randalierten in der Stadt und attackierten staatliche Gebäude. 207 (Gegen)Demonstranten wurden verhaftet, die meisten davon waren Minderjährige und es gab 142 Verletzte, der Großteil davon, 120 Personen, waren Polizisten.
Wer trägt die Verantwortung für diese Situation?
Die Situation zeigt das vollständige Fehlen der staatlichen und politischen Unterstützung für LGBT. Die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit bestehen nur auf dem Papier. Und die Regierung ist nicht in der Lage mit radikalen (verfassungsfeindlichen) Kräften umzugehen.
Keine zivile Partnerschaft, Diskriminierung im Familienrecht
Wenig anders ist es im Alltag: Schwul-lesbisches Familienleben ist nicht geschützt und es gibt keine Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren oder eine zivile Partnerschaft, die Homosexuellen eine Form der rechtlichen Anerkennung ermöglicht. Ganz zu schweigen von einer Ehe für Homosexuelle.
Kampagne zur Nichtdiskriminierung von Trans*
Auch für Transsexuelle und Transgender gibt es keinerlei rechtliche Regelung und Unterstützung. Aus der Zivilgesellschaft gibt es nun einen Gesetzentwurf zur Nichtdiskriminierung von Transpersonen. Dabei geht es um das Recht der Geschlechtsangleichung, das Recht den Namen zu ändern, Diskriminierungsfreiheit am Arbeitsplatz, Versicherungsfragen, Eltern- und Familienrechte, Zugang zu Gesundheitsleistungen, Abschaffung der Zwangsterilisation usw.
Verbot von Hass-Kriminalität
Seit Dezember 2012 gibt es im Strafrecht Bestimmungen gegen Hass-Kriminalität. Als strafverschärfende Beweggründe werden ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung und Genderidentität gezählt. Aber nicht ein einziger Fall von homophober Hass-Kriminalität ist bis heute aktenkundig oder verfolgt worden und das obwohl Übergriffe auf Menschen wegen der sexuellen Orientierung bekannt geworden sind.
Hass-Polemik von Repräsentanten des Staates
Es sind üblicherweise Menschen mit hohen Ämtern, die massiv gegen Homosexuelle hetzen. In der Regel wird das nicht geahndet. So wurden zahlreiche Klagen von LGBT-Organisationen, Einzelpersonen und NGOs beim Gleichstellungsbeauftragten Nevena Petrusic gegen den damaligen Ministerpräsident Dačić eingereicht. Dačić hatte, ebenso wie viele andere, behauptet, dass Homo- und Transsexuelle „abnormal“ und „unnatürlich“ seien.
Die Gleichstellungsstelle wertete die Äußerungen von Dačić als verbalen Übergriff und Demütigung. Der damals noch amtierende Ministerpräsident wurde aufgefordert, sich von den Äußerungen zu distanzieren, sie seien ehrverletzend. Er solle ein Gespräch mit Labris führenempfangen, um sich über die Probleme von Homo- und Transsexuellen zu informieren. Zu einem solchen Gespräch ist es nie gekommen, Dačić war dazu nicht bereit.
Neuer Ansprechpartner im Ministerium
Nach wie vor gibt es Gewalt und sogar Todesdrohungen gegen Homo- und Transsexuelle, insbesondere gegen Aktivistinnen und Aktivisten.
Die Reaktion der Polizeikräfte hat sich etwas verbessert, aber das ist noch lange nicht ausreichend.
Anfang 2014 wurde Aleksandar Stojmenovic vom Innenministerium als Ansprechpartner benannt. Wir freuen uns sehr, dass Stojmenovic bei der Konferenz dabei sein und über seine Arbeit sprechen wird.
In Schulbüchern geht es schon los
Gesetze, gesundheitliche Handreichungen und Schulbücher bezeichnen die gleichgeschlechtliche Liebe noch immer als krank, abnormal oder pathologisch. Labris hat das für den Zeitraum von 2006 bis 2014 dokumentiert. Auch das werden wir auf der Konferenz vorstellen.
Die Fragen stellte Anja Kretzer
Übersetzung von Renate Rampf, beide Hirschfeld-Eddy-Stiftung
- Programm und Informationen zur internationalen Menschenrechtskonferenz in Belgrad