Eingeschränkter Handlungsspielraum: Zivilgesellschaft in der OZSE-Region bedroht
Der sogenannte „Shrinking Space“ war eines der Schwerpunktthemen der OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft am 6. und 7. Dezember in Hamburg . LSVD/Hirschfeld-Eddy-Stiftung war dabei, wir haben berichtet. Am zweiten Tag wurde die Hamburger Erklärung zum Schutz der Zivilgesellschaft mit dem Abschlussdokument verabschiedet. Wir haben sie in Auszügen hier dokumentiert. Auf dem Podium war viel von einem bereits stark eingeschränkten Handlungsspielraum, auf Englisch: “Shrunk Space for civil society”, die Rede.
Menschenrechtsverteidiger*innen der Rechte von LSBTIQ sind besonders gefährdet
In vielen Ländern sind Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für die Rechte von LSBTIQ einsetzen besonders gefährdet, in anderen solche, die mit Flüchtlingen arbeiten. Durch Anti-NGO-Gesetze, Repressionen, Manipulation, Einschüchterung, Finanzierungsbeschränkungen und andere Maßnahmen versuchen autoritär regierte, aber auch demokratischen Staaten die Arbeit unabhängiger und kritischer Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) einzuschränken. Die Arbeitsmöglichkeiten von unabhängigen, oft regierungskritischen Organisationen in der gesamten OSZE-Region wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr eingeschränkt, mit sehr negativen Auswirkungen für Demokratien.
Am Vorabend der Parallelkonferenz lud die Hamburger Körber-Stiftung als Auftaktveranstaltung zu einer Diskussion ein. Auf dem Panel saßen Irina Prochorova, Mitbegründerin der Michail Prochorov Stiftung aus Moskau, Marta Pardavi vom Ungarischen Helsinki-Komitee und Katarzyna Jarosiewicz-Wargan, stellvertretende Direktorin des OSZE-Büros in Warschau. Ute Schaeffer, stellvertretende Direktorin der Deutsche Welle Akademie Bonn, moderierte den Abend. Ein Mitschnitt der Diskussion steht hier Verfügung.
Gongos und Fake-NGOs simulieren Zivilgesellschaft
In Russland und einigen anderen OSZE-Ländern sind sogenannte GONGOS ein großes Problem. Gongo steht für „Government Organized Non Governmental Organisation“, also für Organisationen, die sich als Nichtregierungsorganisation (NRO) darstellen, aber gar keine sind, sondern im Auftrag der Regierungen handeln. Sie sollen deren Inhalte verbreiten helfen, manipulieren und Propaganda machen. Sie werden zum Teil auch – verdeckt oder offen — von der Regierung finanziert. Für echte Nichtregierungsorganisationen sind diese ein großes Problem, denn GONGOS sind schwer zu erkennen und kaum formal auszuschließen, sie sabotieren regelmäßig Zusammenkünfte und Diskussionen und beantragen Gelder bei staatlichen und privaten Förderinstitutionen.
Auf diese Weise versuchen vor allem autoritäre Regierungen, jede Opposition gegen sich zu verhindern und scheinbar unabhängige Fürsprecher aus der (angeblichen) Zivilgesellschaft zu simulieren. Eine Manipulation der Öffentlichkeit, die fatale Folgen hat und großes Misstrauen verbreitet. Frauenorganisationen mit anti-emanzipatorischer Ausrichtung sind dabei eine beliebte Tarnung für Fake NGOs. So wie echte Medien neutraler Berichterstattung verpflichtet sind und Propagandamedien nur so tun als wären sie das, dabei aber einen manipulativen Mix aus Tatsachen, Unterstellungen, Meinungen und Lügen verbreiten, treten die GONGOs auf wie unabhängige NGOs. Und die Fake-NGOs sind meist ebenso nationalistisch und antidemokratisch wie die Propagandamedien. Das beste Mittel, um GONGOs von außen zu erkennen ist es, die örtlichen NGOs um eine Einschätzung zu bitten, denn die haben das größte Wissen über die Zivilgesellschaft vor Ort.
Antidemokratische und autoritär gesinnte Akteur*innen machten sich die Krise der demokratischen Werte und der Sprache zunutze. Begriffe wie Demokratie und Liberalismus haben in vielen Ländern ihren positiven Klang verloren. Wir alle sind aufgerufen, eine neue und positive Sprache für die Demokratie zu entwickeln, mit Begriffen, die gerade durch Aktivist*innen aus der Zivilgesellschaft mit Leben gefüllt werden.
Sarah Kohrt
LGBTI-Plattform Menschenrechte
» Weitere Blog-Artikel zur OSZE 2016: Treffen im Auswärtigen Amt, OSZE in Hamburg: Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft in Hamburg
»Schlussdokument der Parallelkonferenz Hamburg (englisch) inklusive Hamburger Erklärung zum Schutz der Zivilgesellschaft
» Veranstaltung der Körber-Stiftung, Zivilgesellschaft in der Enge? Mitschnitt (1h46)
» BPB: Nichtregierungsorganisationen und Staat in Russland: aus der Geschichte in die Moderne
» Artikel zu Gongos
» Am 1. Juni 2017 fand in Berlin auf Initiative der Yogyakarta-Allianz die internationale Konferenz „Time to React – Zivilgesellschaftliche Handlungsräume stärken“ zum Shrinking Space und LGBTI statt. Veranstaltet von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und dem Auswärtigen Amt. Alle Blog-Beiträge zur Konferenz hier.