In der Tat erlauben die Gesetze und Vorschriften unseres Landes keine gleichgeschlechtliche Liebe, obwohl wir in unserem Land sehr zahlreich sind. Wir versuchen, von unserer Regierung zumindest eine rechtliche Anerkennung zu bekommen, damit wir nicht länger Belästigungen und Verletzungen unserer Rechte erfahren müssen.
Das schreibt Toto, eine Transfrau aus Arusha, die vor einigen Jahren die Organisation EYA gründete. Mit rechtlicher Anerkennung meint sie nicht die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, sondern die Anerkennung der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen Personen (LSBTI), Nichtdiskriminierung, Gewaltfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Ende der Behinderung ihrer Arbeit, die Registrierung von Organisationen, die für die Rechte von LSBTI eintreten.
Ich wuchs mit Angst und Scham auf. Ich mochte es wirklich, mit Mädchen spazieren zu gehen, anstatt mit Jungs Fußball zu spielen. Später beschloss ich, meiner Mutter zu sagen, wie ich bin und was ich mag, und sie wurde wütend und warf mich aus dem Haus. Ich zog bei einem Freund ein. Meine Familie weigerte sich, mein Schulgeld zu bezahlen, und die Mutter meines Freundes half mir, Gebäck zu verkaufen, damit ich das Geld zusammenbekam. Später habe ich gleichgesinnte lesbische, schwule und trans*-Freund*innen kennengelernt, und mir wurde klar, dass ich als Transfrau leben wollte.
Tansania gilt als sehr homosexuellen- und trans*feindliches Land. Meist geht die Verfolgung auf britische Kolonialherren zurück. Im sog. Deutsch-Ostafrika aber waren es unsere Vorfahren aus dem Kaiserreich, die Ende des 19. Jahrhunderts männliche Homosexualität untersagten. Und als die Briten im Ersten Weltkrieg die Kolonie übernahmen, blieb die Verfolgung in Kraft. Das Land sorgt immer wieder für Negativschlagzeilen wegen der Verfolgung von LSBTI.
„Für homosexuelle Handlungen sieht das tansanische Strafrecht sehr hohe Gefängnisstrafen vor. … Reisende werden gebeten, … besondere Zurückhaltung zu üben“, so lautet die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes; ein deutlicher Hinweis, der sich an queere Tourist*innen wendet.
Die Fakten: Schwulen drohen bei Verurteilung bis zu 30 Jahre Haft, lesbischer Sex ist in den meisten Regionen des multireligiösen Landes nicht verboten, aber in Sansibar droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Festnahmen, etwa im September 2017 gegen 20 Teilnehmende an einem Workshop für Eltern von LSBTI. Am 18. September 2017 wurden in einem Hotel in Sansibar zwölf Frauen und acht Männer festgenommen, die dort an einer Schulung zum Thema HIV/AIDS teilnahmen. Sie wurden beschuldigt, sich für die Rechte von LSBTI eingesetzt zu haben.
Ende Oktober 2018 erklärte Paul Makonda, Gouverneur von Dar es Salaam, er habe eine Liste von 200 angeblich homosexuellen Menschen erstellen lassen und drohte mit Anklage. Er rief zu Denunziationen auf. Es hagelte internationale Proteste, die Europäische Union bedauerte die „Verschlechterung der Menschenrechtssituation“ und rief ihren Botschafter zu Konsultationen nach Brüssel zurück. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck und erklärte, all dies könne zu einer Hexenjagd führen und von anderen als Lizenz zur Gewalt, zur Einschüchterung und Diskriminierung von (vermeintlichen) LSBTI verstanden werden.
Die Familie hat mich isoliert, aber wenn ich Geld habe, fragen sie mich und nehmen gerne meine Hilfe an. Ich denke, jetzt respektieren sie mich, wie ich bin. Einige Freund*innen lehnten mich ab, aber die meisten liebten mich für meinen Humor und meine Großzügigkeit und kümmerten sich nicht um mein Aussehen, meine Sprache, meine Arbeit. Viele aus der Nachbarschaft hassten mich, weil ich mich von einem Jungen in ein Mädchen verwandelte. Und was die Religion angeht: Sie wollten nicht, dass ich eine Kirche oder Moschee betrete.
Woher rührt diese LSBTI-Feindlichkeit? Zum einen ist sie ein koloniales, missionsgeschichtliches Relikt. Sie dient der Politik aber auch zur Mobilisierung, vor allem in Wahlkampfzeiten. Religiöse Eiferer mischen fleißig mit. So erklärte der Erzbischof von Dar es Salaam, Polycarp Pengo, im Dezember 2018, die „Sünde der Homosexualität“ sei der Grund für die Zerstörung von Sodom und Gomorrha gewesen, sie stehe dem Plan Gottes zur Schöpfung entgegen und könne niemals akzeptiert werden. Und zur internationalen Kritik fiel ihm nur ein, es sei besser an Hunger zu sterben, als Hilfsgelder anzunehmen, die es zur Bedingung machten, Homosexuelle zu tolerieren.
Ich wollte so sein wie meine Freund*innen, die ich in der Schule kennengelernt hatte, und so beschloss ich, eine kleine Gruppe von LSBTI zu gründen. Das war 2018. Mir ging es darum, ein wenig von dem, was ich gelernt hatte, weiterzugeben. Bald hatte ich einen neuen Kreis von Freund*innen um mich versammelt. Die Organisation nannten wir Empowerment of Youth and Awareness (EYA). Wir beschlossen, uns zu registrieren, damit wir überall arbeiten können, ohne durch das Gesetz eingeschränkt zu werden. Am 1. Oktober 2020 erhielten wir von den Behörden die Registrierung, und seither können wir unsere überall in Tansania durchführen. Wir wollen eine tansanische Gesellschaft, die alle Menschen ungeachtet ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Geschlechtsausdrucks so annimmt, wie sie sind. Deshalb klären wir auf und verbreiten Wissen über LSBTI-Themen in Tansania.
Es gibt kaum ein Land, in dem es keine LSBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen gibt. LSBTI-Organisationen leisten wertvolle, wichtige Arbeit für ihre Communities, gerade auch in Verfolgerstaaten wie Uganda, Ghana, Malawi oder Nigeria. Sie verdienen unsere Unterstützung und Solidarität. Sie machen klar, dass die Menschenrechte unteilbar und universell sind, dass sie für alle gelten, auch in ihren Ländern und auch für LSBTI. Aber sie arbeiten unter erschwerten Bedingungen, sehen sich immer wieder Angriffen seitens der Behörden, religiöser Führer oder anderer gesellschaftlicher Gruppen ausgesetzt. Regelmäßig, etwa zu Wahlkampfzeiten, kommt es in den Städten einiger Länder zu Hetzjagden auf LSBTI, die noch durch Hasspredigten in Kirchen oder Moscheen angeheizt werden.
Die LSBTI-Community in Tansania leidet sehr, weil die meisten von ihnen arbeitslos sind. Manche verkaufen ihren Körper, um Geld für Essen oder Miete zu verdienen, andere sind obdachlos, haben keinen Platz zum Schlafen.
Wir haben es geschafft uns registrieren zu lassen, mehr als 142 Mitglieder zu gewinnen, die in Arusha, in Moshi, in Mwanga oder Babati mitmachen. Das sind nur einige Orte im nördlichen Tansania. In Dar es Salaam arbeiten wir mit anderen Organisationen, Frauenverbänden oder Gewerkschaften zusammen, auch mit anderen LSBTI-Organisationen, mit denen wir Selbstbewusstseinstrainings durchführen. Wir kriegen oft zu hören, LSBTI und Homosexualität kämen von den Weißen, aus dem Ausland, von Leuten, die versuchten, die tansanische Gesellschaft zu zerstören. Das empfinden wir als Beleidigung. Gegen diese Unkenntnis versuchen wir aufzuklären.
Ich will, dass wir künftig frei und selbstbewusst in Tansania leben, dass wir nicht behindert und beleidigt werden, dass wir für unsere Rechte einstehen können. Ich möchte, dass wir frei wie andere Menschen ohne Stigmatisierung und Missbrauch leben können, dass das Leben unserer Community-Mitglieder sicher ist und dass sie zumindest einen Platz finden, wo sie ich ausruhen können und wo sie etwas zu essen bekommen, wenn sie in Not und in Schwierigkeiten sind, dass sie ein würdiges Leben führen können, ohne ihre Körper zu verkaufen. Und für EYA wünsche ich mir, dass unser Büro mit allem, was nötig ist, ausgestattet ist und die Mitarbeiter*innen ein angemessenes Gehalt bekommen, damit sie professionell arbeiten können.
Aufgezeichnet von Klaus Jetz, Hirschfeld-Eddy-Stiftung, Juli 2021
Ein Beitrag im Rahmen des Projekts “LGBTIQ-Menschenrechtsverteidiger*innen” der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Alle Blog-Artikel zum Projekt unter dem Tag MRV-2021.