Laudatio auf Dirk Behmer zur Verleihung der Kompassnadel 2016 vom Schwulen Netzwerk NRW (02.07.2016)
“Sport has the power to change the world. It has the power to inspire. It has the power to unite people in a way that little else does. Sport can awaken hope where there was previously only despair. “ Nelson Mandela
Laureus World Sports Awards 2000 in Monaco
Lieber Dirk,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,
„Sport hat die Kraft die Welt zu verändern“, sagte Nelson Mandela. Und es gibt viele Bereiche, wo die Welt verändert werden muss. Wo wir Menschen eine Richtungsänderung vornehmen müssen, nicht nur für eine Welt die lebenswerter ist, sondern für eine Welt, die für alle Menschen dort lebenswert ist, wo sie zu Hause sind. Damit sie nicht von ihrem zuhause fliehen müssen, wegen Krieg, Hunger, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, der Religionszugehörigkeit oder weil sie schwul, lesbisch, trans* oder intersexuell sind. Und deswegen ihre Gefühle verstecken und sich verstellen müssen, wenn sie nicht gesellschaftlich geächtet, beleidigt oder verletzt werden wollen, wenn sie nicht riskieren wollen im Gefängnis zu landen, oder sogar vor der Todesstrafe fliehen müssen, die ihnen in 7 Ländern dieser Welt immer noch droht.
Dieses sich verstellen müssen, jeden Tag mit der Bedrohung leben zu müssen, das wunderbare Gefühl „zu lieben“, nur versteckt und in Angst erleben zu dürfen, ist grausam und zumindest für uns hier, beim CSD Empfang des Schwulen Netzwerkes und der Aidshilfe in NRW gerade unvorstellbar. Im deutschen Alltag dagegen ist es leider noch oft von Vorteil, mit seiner sexuellen Identität nicht ganz so offen umzugehen. Im Berufsleben, in der Nachbarschaft, oder beim Sport. Als erfolgreicher Profi-Fußballer outet man sich lieber ‑wenn überhaupt ‑erst nach dem Ende der aktiven Karriere, damit man selbige Karriere erst mal haben kann. Auch das ist trauriger Fakt in Deutschland, im Jahr 2016.
„Sport hat die Kraft zu inspirieren“, sagte Mandela weiter. Und ohne Zweifel trifft dieser Satz für den diesjährigen Preisträger der Kompassnadel für ehrenamtliches Engagement, für Dirk Behmer, zu. Der Sport hat ihn zu etwas inspiriert, was so absolut wichtig ist, in unserem menschlichen Miteinander: Zu aktiver Solidarität. Als Mitglied im Team des Düssel-Cups, eines der weltweit größten schwul-lesbischen Multisportturnieren — das dieses Jahr sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat — hat Dirk Behmer das Förderprogramm „Outreach“ ins Leben gerufen. Dieses Programm ermöglicht seit nunmehr fünf Jahren LSBTI- Sportbegeisterten aus Ost- und Südosteuropa die Teilnahme am Düssel-Cup. Ländern in denen Lesben, Schwule und Trans-Personen genau unter diesen gerade beschriebenen Umständen der Diskriminierung, staatlichen und gesellschaftlichen Verfolgung leben müssen.
Für unsere Freundinnen und Freunde aus diesen Ländern bedeutet die Möglichkeit an Events wie dem Düssel-Cup teilzunehmen so viel: Es ist eine kurze Zeit, wo sie ohne den täglichen Druck der ihr Leben belastet, aufatmen können. Wo sie Teil der Community sein können, wo sie ihren Sport in einer Atmosphäre des „unter Gleichen zu sein“ ausüben können. Wo sie auf der Party oder beim Abschluss-Brunch feiern können, ohne über die Schulter schauen zu müssen, ob sie irgendwer bedroht.
Diese Möglichkeit zu schaffen, zu organisieren und auch für die notwendigen Finanzen für das Förderprogramm zu sorgen ist tatsächlich ein Akt der Solidarität und ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass unsere schwul/lesbische/trans* Community zusammensteht, über Grenzen hinweg. Gleichzeitig sollte es aber auch ein Ansporn für uns Alle sein, diese Solidarität zu unterstützen und selbst tätig zu werden. Denn, die Nachfrage nach Unterstützung, durch Outreach, ist höher als die momentanen Kapazitäten von Outreach.
Aus der Erfahrung durch die Arbeit der Hirschfeld-Eddy-Stiftung kann ich nur bestätigen, dass der Ansatz und die Umsetzung durch Outreach, genau der richtige Weg ist. Auch wir organisieren jährlich Reisen von schwulen, lesbischen oder trans* Aktivisten und Aktivistinnen aus dem globalen Süden, vorrangig aus Ländern Afrikas und Asiens nach Deutschland. Anders als beim Düssel-Cup und Outreach allerdings nicht zum Zwecke des sportlichen Wettkampfs ‑was bei der Unsportlichkeit des Vorstands auch wenig Sinn machen würde – sondern mit dem Ziel der Vernetzung mit Community Organisationen in Deutschland, Begegnung und Austausch mit der deutschen Politik, Zivilgesellschaft und Religionsgemeinschaften. Aber auch, um im direkten Gespräch mit unseren Freundinnen und Freunden zu lernen und zu erfahren, wie und wo wir sinnvoll helfen können, damit sich die Situation in diesen homophoben Verfolgerstaaten verbessert und wandelt.
In diesem Sinne trifft das, was Outreach ‑durch die Arbeit von Dirk Behmer und seinem Team — ermöglicht, einen weiteren Punkt, den Nelson Mandela erwähnte, als er sagte, dass „Sport dort Hoffnung wecken kann, wo vorher nur Verzweiflung war“. Nämlich genau durch diese Begegnungen mit Lesben und Schwulen aus Ländern, in denen Homosexuelle und Trans* nicht mehr verfolgt werden, sondern ein freies und selbstbestimmtes Leben gestalten können, die Erfahrung zu machen, dass es eine bessere Zukunft geben wird. Dass auch wir hier einen steinigen Weg zurückgelegt haben, und auch noch nicht am Ziel sind. Aber dass wir schon so weit sind, ihnen auf ihrem Weg zu helfen und sie nicht alleine sind. Wir stehen an Eurer Seite, wir helfen einander, ist die wichtige Botschaft an unsere Freundinnen und Freunde, die Outreach aussendet. Und um es auch sportlich klar zu machen, wir, die Community und unsere Straight Allies haben die Kondition und gehen nicht ehr vom Platz, bis die Menschenrechte für LSBTI weltweit respektiert und geschützt werden.
Und schließlich erfüllt Outreach eine weitere Eigenschaft, die Nelson Mandela in der sportlichen Begegnung feststellt: „Sport hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen, wie es nur wenig andere Gelegenheiten schaffen“. Welche bessere Bestätigung gäbe es, als dass beim diesjährigen Düssel-Cup Lesben, Schwule und Trans* Personen aus drei Kontinenten – Europa, Afrika und Asien – dabei waren. Und Dank der Förderung durch das Outreach-Programm, Dank Dirk Behmer, war unter den Teilnehmenden auch ein Palästinenser und sogar ein Team aus Uganda dabei. Insgesamt hat Outreach über 60 Teilnehmende aus Polen, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Tschechen, Russland und Ungarn unterstützt.
Wir alle wissen, welche schrecklichen Situationen für Lesben und Schwule in den vielen Regionen Afrikas und des Mittleren Ostens herrschen, und wie außerordentlich schwierig es ist, hier einen Wandel zu gestalten. Der entrüstete Fingerzeig auf andere Kontinente steht Deutschland und Europa aber wohl nicht zu. Solange wir in Deutschland, Europa und in der Europäischen Union akzeptieren, dass in Mitgliedstaaten oft nicht viel bessere Verhältnisse für Lesben, Schwule und Trans* herrschen, senden wir nicht wirklich glaubwürdige und überzeugende Signale in diese Länder, ihre homophobe Politik zu ändern. Wenn ganz aktuell durch den Brexit darüber diskutiert wird, dass die EU wieder mehr zur Wertegemeinschaft statt nur zur Wirtschaftsunion werden muss, gehört dazu ganz vordringlich, dass in Mitgliedsstaaten wie Polen, Ungarn und Tschechien endlich die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Trans* respektiert und geschützt werden. Dass in Mitgliedsstaaten der EU diese Rechte im wahrsten Sinne des Wortes, mit Füßen getreten werden, ist und bleibt ein Skandal!
Dass der Sport dabei aber tatsächlich die Kraft hat, Menschen zusammenzubringen und zu vereinen, zeigt ja diese Veranstaltung hier. Denn nur durch die Verleihung der Kompass-Nadel an Dirk Behmer und Outreach ist es wohl möglich, dass ein Bayer auf einen Düsseldorfer, beziehungsweise ein Düsseldorfer Sport-Event, hier in der guten Stube Kölns — im Gürzenich — eine Laudatio halten kann. Sport überwindet also tatsächlich Grenzen und vereint.
Dirk Behmer und Outreach sind hoch verdiente und würdige Preisträger der Kompassnadel. Neben der Gratulation an ihn und dem Dank für seine ehrenamtliche Arbeit der letzten Jahre, sollten wir ihn heute aber auch für die Zukunft sportlich — dem olympischen Motto entsprechend — anfeuern: „Schneller, höher, stärker“. Für eine erfolgreiche Zukunft einer so richtungsweisenden Sache, wie es Outreach ist. Chapeau und Gratulation, Dirk Behmer!
Axel Hochrein
LSVD-Bundesvorstand
(Es gilt das gesprochene Wort)