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Sukzessivadoption

Regenbogenfamilie - Foto: Markus UlrichEtwas gleicher, aber noch lange nicht gleich

Seit 2005 können Lebenspartner die leib­lichen Kinder ihrer Partner adoptieren (sogenannte Stiefkindadoption). Die Lebenspartner werden dadurch rechtlich genauso gemeinschaftliche Eltern der Kinder wie Ehegatten. Das bisherige Verbot der Stiefkindadoption adoptierter Kinder hat das Bundesverfassungsgericht durch das Urteil vom 19.02.2013 aufgehoben (sogenannte Sukzessivadoption). Deshalb hat der Bundestag am 22.05.2014 ein Gesetz verabschiedet, das jedoch lediglich die vom Bundesverfassungsgericht bereits zugelassene Sukzessivadoption erlaubt. Die gemeinschaftliche Adoption von Kindern durch Lebenspartner bleibt weiterhin verboten, obwohl sie schon jetzt ein Kind nacheinander adoptieren können. Durch die Zulassung der gemeinschaftlichen Adoption wäre lediglich das Verfahren vereinfacht worden. Das hätte auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprochen. Denn darin heißt es: „Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestal­tung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht.“

Wenn Justizminister Heiko Maas davon spricht, dass die Vorlage des Gesetzesentwurfes „ein ganz wesentlicher Schritt zu mehr Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in unserem Land gewesen“ ist, wird der Eindruck erweckt, die Regierung sei hier treibende Kraft für mehr Gleichstellung gewesen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die frühere schwarz-gelbe Koalition musste sich erst vom Bundesverfassungsgericht ermahnen lassen, ihr verfassungswidriges Festhalten am Verbot der Sukzessivadoption aufzugeben. Das jetzt von der neuen schwarz-roten Koalition vorgelegte und verabschiedete Gesetz offenbart vor allem eins: große Teile der CDU/CSU sind weiterhin gegen die Gleichstellung und setzen nur das um, wozu das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber ausdrücklich verurteilt.

Sicher, die SPD als kleinerer Koalitionspartner hat nur einen beschränkten Gestaltungsspielraum. Doch weiß sie diesen bei Themen wie dem gesetzlichen Mindestlohn oder der Rente mit 63 sehr wohl geschickt zu nutzen. Dagegen scheint der Elan zu erlahmen, wenn es um gleiche Rechte für Lesben und Schwule geht. Zum Erfolg wird dann selbst das geadelt, was nicht Ergebnis politischen Handelns ist, sondern lediglich längst fälliger Vollzug
höchstrichterlicher Vorgaben.

Dass es auch anders gehen könnte, zeigen Bundesrat und Opposition. Die Länderkammer hat in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf dargelegt, wie politischer Gestaltungswillen aussehen kann: Sie begrüßt darin zwar den „Schritt auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften“. Zugleich stellt sie aber fest, dass damit eben nicht eine vollständige Gleichbehandlung im Adoptionsrecht erreicht wird. Und genau diese mahnt der Bundesrat an und fordert auf zu prüfen, wie sich eine weitergehende Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften im Adoptionsrecht erreichen lässt. Noch deutlicher wird die Opposition, etwa in dem Gesetzentwurf der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, der eine Übertragung aller bisher lediglich Ehepaare betreffenden Vorschriften im Adoptionsrecht auf Lebenspartner fordert. Die ganz einfache Lösung dafür: Die Öffnung der Ehe für
gleich­ge­schlecht­liche Paare.

Familienrichter verweigert Umsetzung
Dank der Entscheidung des Bundesver­fassungsgerichts vom vergangenen Jahr können gleichgeschlechtliche Paare schon heute de facto ein Kind gemeinsam adoptieren. Allerdings zeitverzögert und nacheinander im Rahmen der Sukzessivadoption.

Das entlässt den Gesetzgeber selbstverständlich nicht aus seiner Verantwortung. Ganz im Gegenteil. Wie wichtig das richtige politische Signal ist, belegt erneut ein kürzlich bekannt gewordener Fall eines hessischen Familienrichters. Dieser hatte sich geweigert, im Fall einer Frau, die die leiblichen Kinder ihrer Partnerin adoptieren wollte, das Gesetz umzusetzen. Dabei hatte er sich auf religiöse Gründe berufen. Die Frau kann ihn jetzt zwar wegen Befangenheit ablehnen und sich an einen seiner Kollegen wenden. Doch bleibt der Eindruck, dass sich dieser Richter möglicherweise durch das lavierende und nur zögerliche Verhalten eines großen Teils der Bundesregierung moralisch
legitimiert fühlt.

Manfred Bruns und Eva Henkel, beide LSVD-Bundesvorstand



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