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Transsexuelle Menschen in NRW

Ergebnisse der ersten empirischen StudieDeborah Reinert, LSVD Köln - Foto: Caro Kadatz

Im Rahmen der Erarbeitung von Empfehlungen für einen Landes- aktionsplan gegen Homo und Transphobie hat das nordrhein-westfälische Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) eine empirische Studie zur Lebens- situation transsexueller Menschen in NRW gefördert. Diese gibt erstmalig einen Einblick in deren aktuelle Situation und Lebensvielfalt.

Für die Studie wurden 30 Interviews geführt und 68 Fragebögen mit insgesamt 89 Fragen zu 13 Themengebieten ausgewertet. Seit 1995 wurden insgesamt 11.514 Vornamens- änderungen und/oder Personenstands- änderungen nach dem Trans- sexuellengesetz (TSG) durchgeführt, ca. 2.500 allein in NRW. Wir haben in unserer Studie davon insgesamt 98 Personen erreicht, d.h. mindestens 3% der transsexuellen Menschen in NRW.

Offen leben hat Priorität
Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, sind transsexuelle Menschen mit multiplen Belastungssituationen und Problemen in verschiedenen Lebensbereichen konfrontiert. Die Befragten berichteten von unterschiedlichen Erfahrungen mit Akzeptanz und Diskriminierung vor, während und nach der Phase der Transition und wählten unterschiedliche Bewältigungsstrategien, um mit den Problemen umzugehen. Alle Interviewten, unabhängig davon ob sie noch am Beginn ihrer Transition stehen oder sie schon länger abgeschlossen haben, gaben an, dass sie diesen Schritt nochmals gehen würden und dass sich ihre Lebensqualität nachhaltig verbessert habe, obwohl viele auf große Widerstände und Probleme gestoßen sind. Dies zeigt, wie zwingend es für sie war bzw. ist, ihre eigene Identität offen zu leben. Teilweise haben sie – auch wenn die Transition bereits länger zurückliegt – noch immer mit den gravierenden Folgen dieses Schrittes zu kämpfen wie z.B. Ausgrenzung im sozialen Umfeld und in der Familie, Arbeitsplatzverlust oder finanzielle und gesundheitliche Probleme.

Viele verweisen auf einen erheblichen Mangel an verlässlichen Informationen, an Aufklärung und Sensibilisierung zu Fragen der Transsexualität. Das betrifft fast alle Bereiche, auch die öffentliche Verwaltung und das Gesundheitswesen. Oft fehlt es hier vor allem an dem Willen, gesetzliche Regelungen und entsprechende gerichtliche Entscheidungen umzusetzen. Die Studie zeigt, dass das für die berufliche Integration so wichtige Umschreiben von Papieren (etwa Abschlüsse, Schul- oder Arbeitszeugnisse, Beurteilungen) häufig Schwierigkeiten bereitet. Immer wieder wird berichtet, dass Behörden oder sogar Gerichte nach einer Vornamensänderung die Anrede etwa auf der Lohnsteuerkarte oder der Wahlbenachrichtigung nicht entsprechend ändern.

Finanziell schlechter gestellte Transsexuelle berichten, dass die Krankenkassen Behandlungen ablehnen und sie selbst diese nicht durch eigene Mittel kompensieren können. Viele erfahren nicht von den Möglichkeiten ihre Rechte durchzusetzen, etwa mit Hilfe eines Rechtsbeistandes. Durch den sozialen Wechsel ins weibliche Geschlecht sehen sich Transfrauen teilweise Diskriminierungen als Frauen ausgesetzt. Transmänner erfahren dagegen bisweilen einen Statusgewinn als Männer.

Zentrale Anlaufstelle wäre hilfreich
Die Studie zeigte, dass es neben der Aufklärung vor allem an Abstimmung und Koordination hinsichtlich der Beratung für transsexuelle Menschen, für ihre Angehörigen und die mit dem Thema konfrontierten Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen (Schulen, Behörden, Arbeitgeber, Verbände, Gesundheitssystem) fehlt. Die interviewten Betroffenen wünschen sich dringend eine zentrale Anlaufstelle und fordern von der Landesregierung daher den Aufbau einer Landeskoordinationsstelle für den Bereich Trans*. Dort könnten Informationen, Fachkompetenzen und Beratungsangebote gebündelt und zur Verfügung gestellt werden. Die Einbeziehung Betroffener wird dabei als wichtige Voraussetzung angesehen, um den Erfolg dieser Maßnahme zu gewährleisten.

Deborah Reinert, LSVD Köln



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