Erfahrungsbericht von Klaus Jetz (Geschäftsführer LSVD / Hirschfeld-Eddy-Stiftung) von der Konferenz “Encuentro de personas LGBTIQ+ nicaragüenses migrantes en la región centroamericana y México” in Costa Rica
Montagnachmittag (Ortszeit) wurde in San José, Costa Rica, eine Konferenz mit queeren Geflüchteten aus Mittelamerika eröffnet. Organisiert wurde die Veranstaltung von unserem Kooperationspartner Red de Desarollo Sostenible und der Mesa Nacional LGBTIQ* Nicaragua. Die Konferenz fand im Centro Cultural Rubén Darío statt. In dem Zentrum können Interessierte Sprach‑, Koch‑, Computer- oder Malkurse besuchen. Aufgebaut wurde es vor sieben Jahren von hier lebenden Nicaraguaner*innen.
Ich hatte Gelegenheit, den rund 40 Teilnehmenden die Arbeit der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und des LSVD vorzustellen, insbesondere unsere Projekte zu Regenbogenfamilien und familiärer Vielfalt, zu Strategien gegen Rechtspopulismus, Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit sowie das Projekt “Queer Refugees Deutschland”. Darüber hinaus interessierten sich die Teilnehmenden für unsere Nicaragua-Arbeit (seit 2007), vor allem aber für die mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes durchgeführten Projekte, etwa zur Entwicklung einer LSBTI-Menschenrechtsagenda, die Sensibilisierungsarbeit für angehende Journalist*innen an mehreren Universitäten und die gegen die Straflosigkeit zielende Dokumentation von Übergriffen gegen LSBTI durch die Staatsgewalt.
Die Costaricanerin Natasha Jiménez von ILGA LAC stellte die Erfolge der letzten Monate dar. Besonders hob sie die Mandatsverlängerung des Unabhängigen UN-Experten für den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität (SOGI) hervor. Der UN-SOGI Experte Victor Madrigal Borloz stammt ebenfalls aus Costa Rica.
Natasha ging in ihrem Vortrag der Frage nach, warum Trans*Personen flüchten. Zunächst führen Marginalisierung und Ausgrenzung dazu, dass junge Trans* ihre Familie und Umgebung verlassen. Die fehlende Unterstützung durch die Familie und schlechte Bildungschancen sind die Hauptursachen weshalb Trans* Sexarbeit verrichten würden. Gewalt, Trans*feindlichkeit und Verfolgung von Aktivist*innen seien die häufigsten Fluchtgründe, die dann letztendlich dazu führen, dass viele ihr Land verlassen und etwa nach Costa Rica, in das „Land des Friedens und der Bildung“ gehen. Dort aber stellten sie fest, dass diese Errungenschaften nur auf dem Papier stehen, dass es auch hier Ausgrenzung und Diskriminierung gebe, die sie erneut in die Sexarbeit zwingen. Die Lebenserwartung von Trans* in Mittelamerika betrage nur 25 Jahre, in Costa Rica immerhin 32 Jahre, was den gefestigten demokratischen Strukturen geschuldet sei. Die Selbstmordrate von jungen Trans* in Mittelamerika sei zehn Mal höher als bei anderen Jugendlichen.
Cindy Mora Molina von der costaricanischen Migrations- und Ausländerbehörde rief alle LSBTI-Geflüchteten dazu auf, in der Anhörung offen und überzeugend über ihre persönlichen Erlebnisse zu berichten. Es reiche für die Anerkennung als LSBTI-Geflüchtete*r nicht aus zu sagen, man habe das Heimatland verlassen, weil man dort Angst gehabt habe. Angst an sich begründe noch keinen Anspruch auf Aufenthalt in Costa Rica. Ein LSBTI-Aktivist aus Honduras, der seit 34 Jahren in Tegucigalpa aktiv ist und ebenfalls seine Heimat verlassen hat, rief dazu auf, auch dieses mittelamerikanische Land nicht zu vergessen. Dort seien LSBTI-Aktivist*innen vor allem Trans*aktvist*innen vogelfrei. Seit 2008 habe die LSBTI-Community 325 Mordopfer zu beklagen, allein in diesem Jahr habe es bereits 18 Morde gegeben.
In den beiden kommenden Tagen steht die Arbeit von und mit Geflüchteten im Mittelpunkt, am vierten und letzten Tag wird es um die Aktualisierung der nicaraguanischen LSBTI*-Menschenrechtsagenda aus 2011 gehen, die auch um die Themen Geflüchtete und Möglichkeit der Rückkehr erweitert werden soll.
Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung