70 Organisationen in einem Bündnis
Am 22. September demonstrierten in Berlin 15.000 Menschen gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes. Zu der Demonstration hatte das vom LSVD Berlin-Brandenburg koordinierte Bündnis „Der Papst kommt“ aufgerufen. Laut Humanist- ischen Pressedienst war es die größte kirchenkritische Demonstration, die je in Deutschland stattgefunden hat. Über 70 Organisationen aus den Arbeitsbereichen Frauen- und Geschlechterpolitik, sexuelle und reproduktive Rechte, Homosexualität, HIV-Prävention sowie Trennung von Kirche und Staat hatten sich in kürzester Zeit zusammen getan. Vereint in der Kritik mit einer enormen Vielfalt an Perspektiven: Frauenrechtlerinnen an der Seite von Schwulenaktivisten, junge Menschen an der Seite von älteren Menschen, gläubige Menschen an der Seite von Humanisten und Atheisten, Linke an der Seite von Liberalen.
Das Bündnis „Der Papst kommt“ ist noch kein Jahr alt. Im Februar 2011 wurde es anlässlich des bevorstehenden Papst-Besuches in Deutschland vom LSVD Berlin-Brandenburg gegründet. Dass es so schnell zu einer solchen Größe angewachsen würde, hatte bei der Gründung niemand zu hoffen gewagt. Einige Organisationen und Akteure konnten zwar bereits auf eine konkrete Zusammenarbeit zurückblicken, zum Großteil waren es aber neue Erfahrungen, die miteinander gemacht werden mussten.
Dass eine solche Vielfalt an Perspektiven, Meinungen und Forderungen auch eine ernstzunehmende Hürde darstellen kann, wurde allen Beteiligten bereits bei der Formulierung der gemeinsamen Resolution bewusst. Wendet man sich gegen Religion an sich? Nein! Geht man offensiv mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch um? Ja! Auf allerlei schwierige Fragen mussten Antworten gefunden werden. Kampfabstimmungen mit knappen Mehrheiten sollten vermieden werden. Alle sollten mitgenommen werden. Gemeinsam in Vielfalt.
Der Papst ist nicht mehr in Berlin. Aber nicht weg vom Fenster. Die Beteiligten wollen die Zusammenarbeit im Bündnis nicht abreißen lassen. An Anlässen wird es auch zukünftig nicht mangeln. Denn noch sind die katholische Amtskirche und zahlreiche religiöse Gruppierungen von einer menschenfreundlichen Geschlechter- und Sexualpolitik weit entfernt. Jeder Hassprediger in Berlin, der frauenfeindliche oder homophobe Botschaften verkündet und die Menschenrechte in Frage stellt, wird zukünftig den vereinten Protest der Mitglieder des Bündnisses gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik hervorrufen. Und dass die Berliner Landesregierung beschlossen hat, Verleumdungen und Diskriminierungen, die im Namen von Religion geschehen, zukünftig von staatlicher Seite zu bekämpfen, ist dem gemeinsamen Anliegen der 70 Bündnis-Mitglieder sicher auch nicht abträglich.
Jörg Steinert, Geschäftsführer des LSVD-Berlin-Brandenburg