Traurige Ernüchterung durch die politischen Realitäten
Grußwort von LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein auf der Bundeskonferenz AG Lesben und Schwule in der SPD (Schwusos)
Lieber Ansgar,
liebe Petra,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde und Freundinnen,
„Es sind mehr Tränen über erfüllte Wünsche vergossen worden, als über unerfüllte.“, dieser in vielen Lebenslagen zutreffende Spruch von Theresa von Ávila hat nicht nur die Gefühlslage vieler Lesben und Schwule in der SPD, sondern allgemein vieler um die Vollendung der Gleichstellung von LSBT kämpfenden Menschen in ganz Deutschland nach der Bundestagswahl und Regierungsbildung wieder gegeben.
Dem Wunsch einer Regierungsbeteiligung der SPD im Bund und damit der Erfüllung der Aussage: „Volle Gleichstellung nur mit uns“, erfolgte eine traurige Ernüchterung durch die politischen Realitäten. Die Bundestagswahl brachte zwar die erhoffte Regierungsbeteiligung, allerdings eben nicht die Regierungsführung. Und die erreichten 25 % gegenüber den 41 % der Union, waren schlicht zu wenig um alle Vorhaben der SPD im Koalitionsvertrag umzusetzen.
Dass LSBT-Themen schon am Anfang der Sondierungsgespräche eine untergeordnete Rolle gespielt haben, war für uns alle, war für den LSVD und auch mich persönlich mehr als nur eine schwere Enttäuschung. Zusammen mit meiner Kollegin Uta Schwenke hatten wir – aus Überzeugung und als LSVD-Bundesvorstände — den Wahlaufruf für Peer Steinbrück unterschrieben.
Die Koalition mit einer in dieser Frage ideologisch blockierten Union und einer Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden der CDU, bei der bei LSBT-Themen das „Bauchgefühl“ vor Sachargument steht, und die Verhinderung der Gleichstellung von Lesben und Schwulen als Kotau vor rechtskonservativen und reaktionären Parteikreisen verstanden werden muss, hat zu der Situation geführt, mit der Ihr und wir alle nun umgehen müssen.
Die Erfolgsgeschichte der Gleichstellung und Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, die wir in den letzten 25 Jahren gemeinsam erlebt haben — und es ist eine Erfolgsgeschichte im Bereich der Bürgerrechte! — war nie ein Selbstläufer. Es war vielmehr immer ein Kampf. Und die Erfolgsgeschichte im Ganzen hatte immer wieder Rückschläge, die uns als Community aber ehr motiviert haben, noch intensiver darum zu kämpfen, dass das Versprechen unserer Verfassung „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ auch für sexuelle Minderheiten erfüllt wird.
Deshalb ist Euer aktuelles Motto „Wir kämpfen weiter“ die einzig richtige Antwort im Umgang mit dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl und dem Koalitionsvertrag, der in der SPD eine Mehrheit gefunden hat. Und ich bin heute sehr gerne Eurer Einladung gefolgt, um Euch nicht nur die Grüße des LSVD und seines Bundesvorstandes zu überbringen, sondern auch die Zusicherung: LSVD und Schwusos werden auch — wie bisher — zusammen weiter kämpfen.
Politische Lobbyarbeit ist für uns als Bürgerrechtsverband, neben der Arbeit als gesellschaftliche Stimme, eine wichtige Aufgabe. Und wir wissen, wer in der Bundesregierung (gleiches gilt für die Landesregierungen in denen die SPD vertreten ist) dabei unsere Verbündeten und Unterstützer sind. Die Gespräche die wir als Verband inzwischen mit Manuela Schwesig oder auch Heiko Maas geführt haben, haben uns darin nicht nur bestätigt, sondern auch bestärkt.
Die Unterstützung durch diese für unsere Anliegen aktiven Minister und Ministerinnen in der Bundesregierung, die guten Kontakte in die SPD-Bundestagsfraktion, sind im Zusammenspiel enorm wichtig, um nicht nur weiter zu kämpfen, sondern auch um die Ziele die wir gemeinsam haben zu erreichen.
Und wir haben natürlich noch eine ganze Reihe von drängenden Problemen zu beseitigen:
Nach wie vor wird gleichgeschlechtlichen Paaren die vollständige Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren verweigert, daher ist die Eheöffnung eine unserer politischen Kernforderungen. Deutschland fällt hier im internationalen Vergleich mehr und mehr zurück. Nicht nur viele europäische Nachbarländer, sondern viele Länder weltweit — schauen wir nur in die USA — sind hier an uns vorbei gezogen.
Gleiches gilt für das gemeinsame Adoptionsrecht, das de facto über die Sukzessiv Adoption schon vorhanden ist. Die Blockade der Union, hier den letzten Schritt gesetzlich zu gehen, zeigt die Widersinnigkeit und ideologische Borniertheit, mit der dieses Thema dort behandelt wird.
Langzeitprojekt ist auch die Ergänzung des Diskriminierungsverbots in Artikel 3 des Grundgesetztes um das Merkmal der „sexuellen Identität“. Solange es in Art. 3.3. GG eine Aufzählung gibt, gehört die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zwingend in diesen Katalog. Auch als Sicherung der einfachen Gesetze und besonders als Schutz unserer Rechte vor politischen „Trends“.
Die jüngsten Entwicklungen in Deutschland und vielen anderen Ländern zeigen, dass um Werte wie Freiheit, Gleichheit und Respekt täglich neu gerungen werden muss. Homophobe sind in Deutschland heute eine Minderheit. Aber sie haben angefangen, neu zu mobilisieren, und sie sind nicht ohne Wirkung. Denn homophobe Parolen verletzen. Sie treffen junge Menschen im Coming-out. Sie schlagen Wunden bei Eltern, deren Kind wegen seiner Homosexualität gemobbt wird. Sie würdigen Regenbogenfamilien und indirekt Alleinerziehende herab, die Eltern wie die Kinder. Sie bieten Gewalttätern ideologische Rechtfertigung. Sie sind ein Angriff auf die Würde des Menschen.
Auf Landesebene sind die wichtigsten Projekte sicherlich die Mitarbeit und Umsetzung an sogenannten Aktionsplänen gegen Homo- und Transphobie in immer mehr Bundesländern. Großes Thema ist da natürlich auch der ganze Bereich Schule und Bildung. Wir wollen dort eine gleichwertige Thematisierung und Aufklärung über Geschichte und Alltag von LSBTI, um neben der rechtlichen auch auf die gesellschaftliche Gleichstellung hinzuarbeiten.
Die Rehabilitierung und Entschädigung der durch den Schandparagraphen 175 verurteilten schwulen Männer muss endlich in dieser Legislatur erfolgen. Wir sind hier in Kontakt mit dem Bundesjustizministerium und begrüßen ausdrücklich die Initiative und das Engagement von Heiko Maas. Stellen wir als demokratischer Staat hier endlich Gerechtigkeit her und, liebe Freundinnen und Freunde, geben wir den Verurteilten ihre Würde zurück und erweisen ihnen den längst fälligen Respekt: Lassen wir diesen Männer, die oft in hohem Alter sind, am Ende ihres Lebens endlich Gerechtigkeit wiederfahren!
Darüber hinaus müssen wir uns im allgemeinen stärker für die ältere Generation der Lesben und Schwulen, die noch intensiv unter Verfolgung, Diskriminierung und Ausgrenzung gelitten haben, denen ein selbstbestimmtes und freies Leben nicht zuteilwurde — weil sie anders liebten als die Mehrheit – einsetzen. Auch hier findet Ihr bei diesem Thema den LSVD ganz eng an Eurer Seite. Ich bin Dir, lieber Ansgar, sehr dankbar, dass Ihr auch dieses Thema auf Eurer Agenda der Bundeskonferenz gesetzt habt.
Gleiches gilt für das Thema, das Du ebenfalls angesprochen hast: Immer wichtiger wird auch unsere internationale Arbeit für die Stärkung der Menschenrechte unabhängig von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Solange es Strafgesetzgebung gegen Homosexuelle in der Welt gibt, solange Lesben und Schwule mit Todesstrafe oder Gefängnis bedroht werden, solange können wir uns als Community, aber allgemein auch als Bürger und Bürgerinnen, die sich der Demokratie und Menschenwürde verpflichtet fühlen, nicht bequem zurück legen. Das ist eine Frage der Solidarität mit unseren Freunden und Freundinnen in der Welt. Lasst uns diese Solidarität zeigen, nicht nur in Worten auch in Taten.
Mit unserer LSBT-Menschenrechtsstiftung, der Hirschfeld Eddy Stiftung sind wir hier an vorderster Front tätig und sind für die Unterstützung durch das Außenministerium und besonders auch durch den Menschenrechtsbeauftragten der BR, Christoph Strässer sehr dankbar.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde, der LSVD wird im nächsten Jahr 25 Jahre alt und auf einem unserer Give aways steht der selbstbewusste Slogan: „Wir schreiben Geschichte“. Die Geschichte der Gleichstellung und Gleichberechtigung von LSBT. National aber auch international.
An dieser Geschichte arbeiten wir weiter, und sind uns sicher, dass wir sie zusammen, wie bisher auch, mit den Schwusos zusammen schreiben werden.
Und um das zu dokumentieren, habe ich auch ein kleines Geschenk mitgebracht, dass ich Dir lieber Ansgar und Dir liebe Petra gerne überreiche. Wir waren immer sehr glücklich darüber, wenn die SPD und die Schwusos die Kampagnen des LSVD mitgetragen und unterstützt haben. Deshalb war oft das SPD und das Schwuso Logo auf unseren Kampagnen Flyern. Insofern dachten wir uns, ist es endlich mal Zeit, dass das LSVD-Logo auch auf einer Schwuso und SPD Kampagne steht, und was böte sich da besser an, als unser gemeinsames Versprechen an Lesben und Schwule, die volle Gleichstellung. Deshalb gibt es dieses Exklusiv-Exemplar Eures Slogans „ Volle Gleichstellung nur mit uns“ als Sonderdruck und LSVD-Logo:
Als Versprechen an die Lesben und Schwulen im Land, aber auch als Ausdruck unseres gemeinsamen Zieles und unserer gemeinsamen Anstrengungen!
Ich wünsche Euch in diesem Sinne, eine erfolgreiche Bundeskonferenz und die notwendige Durchsetzungskraft in Eurer Partei und der Koalition.
gehalten am 18.10.14, Nürnberg