Vortrag im Rahmen von “Crossings and Alliances”
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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Crossings & Alliances“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung berichtete am 25. August Ibrahim Abdella über die aktuelle Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen (LGBT) in Ägypten. Die Veranstaltung in der LSVD-Bundesgeschäftsstelle in Köln war mit fast 40 Personen gut besucht, sie fand in Kooperation mit baraka, dem rubicon und dem Jugendzentrum anyway statt.
Ibrahim ging der Frage nach, wie die verschiedenen Regimes (Mubarak-Diktatur, Regime des Obersten Rates der Streitkräfte, Muslimbruderschaft und Präsident Mursi sowie Sisi-Diktatur) mit LGBT umgegangen sind und umgehen. Anschaulich schilderte er die Ereignisse der letzten Jahre und spannte den Bogen von der „Queen Boot“-Affäre 2001, als 52 Männer verhaftet wurden, über die ägyptische Revolution 2011 und dem Militärputsch vom Juli 2013 bis heute.
Alle Regime unterdrückten LGBT, die von den Behörden als eine Gefahr für Traditionen und Gesellschaft angesehen werden. Sie unterscheiden sich allenfalls in Intensität und Schärfe der Repression, wobei besonders das Mubarak-Regime und die Militärdiktatur des derzeitigen Staatschefs Sisi eine unrühmliche Rolle spielen. Der islamistischen Muslimbruderschaft hingegen blieb aufgrund anderer Prioritäten kaum Zeit, ihr homophobes Programm voll zu entfalten.
Die Revolution vom 25. Januar 2011, die das langjährige Mubarak-Regime hinwegfegte, veränderte das Bewusstsein der Menschen und brach Tabus. Plötzlich diskutierte man über Themen wie Missbrauch, sexuelle Belästigung, Homosexualität. Seit Oktober 2013, so Ibrahim, findet in Ägypten eine regelrechte Schwulenhatz statt. Die Polizei stürmt bekannte Treffpunkte und immer häufiger auch Privathäuser, wo sie schwule Partys vermutet. Die Zunahme der Übergriffe hängt mit der politischen Repression zusammen und soll den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass Militärherrscher Sisi mit harter Hand regiert und genauso homophob ist wie seine islamistischen Vorgänger.
Zu den Besonderheiten des homophoben Militärregimes gehören unter anderem, dass vor den Gerichten pseudowissenschaftliche Methoden zugelassen werden, um Analverkehr nachzuweisen und schwule Männer zu überführen („Anus-Probe“). Außerdem können homosexuelle Ausländer des Landes verwiesen werden, und die Polizei stellt Schwulen in Dating-Portalen und im Internet Fallen, um ihrer habhaft zu werden.
Im Dezember 2014 überfielen Polizisten ein Hammam im Kairoer Ramses-Viertel und verhafteten 26 vermeintlich schwule Männer; die schlimmste homophobe Razzia seit dem Queen Boot Vorfall. Die bürgerliche Existenz der Männer wurde mit einem Schlag vernichtet, einer der Männer versuchte, sich selbst zu verbrennen.
LGBT-Gruppen in Ägypten agieren wie viele Bürgerrechtsvereine im Untergrund. Einige NGOs wie die Egyptian Initiative for Personal Rights, die seit 2002 die Grundrechte verteidigt oder die Frauenorganisation Nazra for Feminist Studies setzen sich auch für LGBT ein. Eine registrierte LGBT-Organisation gibt es in Ägypten nicht.
Ibrahim Abdella arbeitet ehrenamtlich bei der 2014 von ihm mitgegründeten Initiative Solidarity with Egypt LGBT in Port Said/Ägypten. In Deutschland macht er zurzeit ein Praktikum beim LSVD, um die Geschichte, Struktur und Strategien deutscher LGBT-Institutionen kennenzulernen.
Vortragspräsentation auf Englisch
Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführer