Welchen Beitrag können Stiftungen, gesellschaftliche Akteure sowie die staatliche Entwicklungszusammenarbeit und Auswärtige Politik für die Verbesserung der Situation und des Alltags von LGBTI leisten? Das internationale Panel des 4. Fachtags Regenbogenphilan-thropie moderiert von Arn Sauer (TriQ) fragte dazu Arsham Parsi (Iran/Kanada), Polina Savchenko (Russland); eine Aktivist*in aus Algerien und Stephane Djedje (Kamerun/Großbritannien).
Kulturelle und psychologische Angebote stärken die Community
Polina Savchenko von der St. Petersburger Organisation „Vychod“ (Coming-out) kämpft gegen Rekriminialisierungstendenzen und die weit verbreitete Homophobie. Savchenko betont die Wichtigkeit internationaler Proteste und das Engagement von ausländischen Politikerinnen und Politiker. So besuchte der deutsche Konsul in St. Petersburg das diesjährige Queer Festival – neben einer wichtigen Solidaritätsgeste auch ein effektiver Schutz für alle Teilnehmenden.
Für die LGBTI-Menschenrechtsarbeit in Russland sind dabei kulturelle Veranstaltungen und psychologische Angebote zentral und oft viel wichtiger als explizit politische Aktivitäten. Denn für Filmabende, Ausstellungen und Lesungen interessiert sich ein größeres Publikum. Unterstützung beim Coming-out und die Überwindung von Selbsthass sind zudem wichtige Voraussetzungen sich aktiv und öffentlich zu engagieren. Geberorganisationen fördern jedoch solche Angebote in der Regel nicht, sie erkennen den Nutzen und die Wirksamkeit nicht an.
Die Arbeit von Vychod zielt auf die Stärkung der LGBTI-Community, Beeinflussung der öffentlichen Meinung und, mittlerweile am schwierigsten, Sensibilisierung von Politikerinnen und Politikern. Ein Großteil der Arbeit, die dafür notwendig ist, kann in den üblichen Finanzplänen nicht abgebildet werden. So ist beispielsweise die Organisation einer Demonstration eher preiswert, aber wer bezahlt die Tage und Stunden, die es kostet, die Menschen dazu zu bewegen, dabei zu sein?
Angesichts unberechenbarer und oftmals plötzlicher Änderungen der politischen Situation muss eine Unterstützung aus dem Ausland zudem auch flexibel sein, um schnell reagieren zu können. Bislang fehlt zudem eine finanzielle Absicherung für Langzeitstrategien und institutionalisierte Unterstützungsstrukturen. Aller Voraussicht nach wird der Kampf für LGBTI-Menschenrechte in Russland nicht so schnell beendet sein.
Proaktives Vorgehen – wo gibt es Gelder?
Eine ähnliche Prognose stellt auch Arsham Parsi für den Iran. Er zählt zu den sieben Ländern, in denen homosexuelles Begehren dort mit dem Tod bestraft werden kann. Das Iranian Railroad for Queer Refugees (IRQR) arbeitet daher von Kanada aus, wohin Parsi nach seinem Coming-out Zuflucht gesucht hat. IRQR hilft iranischen LGBTI das Land zu verlassen und stellt Informationsmaterial zur Verfügung, sei es im Internet oder informell über die Grenze in den Iran gebracht.
Ein öffentliches Auftreten ist im Iran nicht möglich, Workshops für einige wenige mutige Engagierte müssen außerhalb des Irans durchgeführt werden. Das ist teuer. Von Geberorganisationen und Regierungsstellen fordert Parsi ein proaktives Vorgehen und Hinweise, welche Gelder und wo beantragt werden können.
Ein Problem bei vielen Anträgen sei, dass diese nur in der jeweiligen Landessprache der Geber gestellt werden können – für viele Organisationen ein unüberwindbares Hindernis. Für Exilorganisationen sei es zudem oft unmöglich, Geld zu beantragen. „Wenn wir für IRQR anfragen, heißt es, wir bekommen kein Geld, weil wir ja in dem reichen Kanada leben. Und staatliche Geber wiederum müssen uns ignorieren, weil der UN-Boykott verlangt, nichts für den Iran zu geben.“
Keine Registrierung – kein Geld?
Ein Mitglied der LGBTI-Organisation AbuNawas berichtet, dass die NGO nicht in ihrem Heimatland Algerien registriert werden kann. Zwar arbeitet sie klandestin vor Ort, offiziell sitzt sie jedoch in Brüssel. Die dortige Registrierung war für sie wiederum hilfreich, um Gelder beantragen zu können. Innerhalb der algerischen Menschenrechtsbewegung sind LGBTI-Aktivistinnen und ‑aktivisten isoliert. Feministische Organisationen, HIV/AIDS-Präventionsangebote und Demokratieprojekte halten Distanz zu Forderungen nach LGBTI-Menschenrechten, reagieren zuweilen gar feindlich. So ist jeder Kontakt auch mit einem hohen Risiko verbunden.
AbuNawas sucht daher verstärkt und erfolgreich Unterstützung aus dem Ausland. Förderern wird vorgeschlagen, dass zum Beginn einer Zusammenarbeit nur kleine Miniprojekte gefördert werden könnten, damit sich die LGBTI-Projekte ohne großes finanzielles Risiko für die Geber bewähren und sich Vertrauen und Verlässlichkeit aufbauen können. Aus solch einer Kleinstförderung hat sich für Abu Nawas inzwischen die Unterstützung eines auf mehrere Jahre angelegten Projekts ergeben. Zudem sollte es mehr Sensibilität für Exil-Projekte geben.
Auf Vertrauen basierende Partnerschaften
Stephane Djedje ist Mitglied des innerafrikanischen Netzwerks House of Rainbow mit Büros in Nigeria, Lesotho und Ghana sowie in London. Die Hauptaufgabe sieht er darin „to tell african christians that it is okay to be gay“. Diese Botschaft richtet sich an alle. Zudem bietet House of Rainbow Beratungs- und Fortbildungsangebote für die Bereiche HIV/AIDS, Menschenrechte und Coming-out. Essentiell ist es für Förderorganisationen mit den Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort zu sprechen und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Rechenschaftsberichte können dabei auch Vertrauen auf beiden Seiten vertiefen. Gefährlich ist die Forderung von Gebern, mehr Öffentlichkeitsarbeit für die Projekte einzufordern.
Förderungskriterien müssen der Gefahr durch bestehende Gesetze Rechnung tragen – hier ist zuweilen flexible und unorthodoxe finanzielle Förderung notwendig.
Weitere Photos vom 4. Fachtag in der Galerie.
Markus Ulrich, Renate Rampf
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
4. Fachtag Regenbogenphilanthropie, 1. Oktober 2012 in Berlin
Veranstalterinnen: Dreilinden gGmbH, Hannchen-Mehrzweck-Stiftung,
Heinrich-Böll-Stiftung, Hirschfeld-Eddy-Stiftung