Internationales Gespräch über lesbische Präsenz in politischen Netzwerken und Kampagnen
Gemeinsam stärker werden – eine einfache Formel für politische Netzwerkarbeit, die es in sich hat. Wie können Lesben ihre Präsenz, Sichtbarkeit und politische Wirksamkeit in Netzwerken stärken? Das war das Thema eines vom LSVD in Kooperation mit L‑Mag veranstalteten Diskussionsabends in der Werkstatt der Kulturen am 9. Juni in Berlin.
Im Mittelpunkt der Diskussion und beispielhaft für die erfolgreiche Zusammenarbeit von auf den ersten Blick nicht so wahrscheinlichen Partner/innen stand Dawn Cavanagh, Direktorin der Coalition of African Lesbians (CAL), mit ihrem Projekt „Masakhane“. Das Zulu-Wort lässt sich ins Deutsche übersetzen mit „Kommt, lasst uns gemeinsam stärker werden“. Initiiert vom LSVD und umgesetzt von CAL als Projektpartnerin vor Ort und dem LSVD und filia.die frauenstiftung von deutscher Seite läuft dieses Projekt seit 2013. Ganz überwiegend finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), widmet sich Masakhane der besseren Vernetzung, dem „Capacity Building“ und der Selbstermächtigung von Lesben, bisexuellen Frauen und Trans* in Subsahara Afrika.
CAL ist eine Dachorganisation von mehr als 30 Einzelorganisationen in 19 afrikanischen Ländern mit Sitz in Johannesburg. Sie widmet sich der Menschenrechtsarbeit für Lesben, bisexuelle Frauen und Trans* und treibt entgegen großer Widerstände Vernetzung erfolgreich und länderübergreifend voran.
Was sich von Masakhane auch für die lesbische Netzwerkarbeit in Deutschland lernen lässt, wollten die Gesprächsteilnehmerinnen an diesem Abend herausfinden. Dawn Cavanagh, seit 2010 Geschäftsführerin von CAL, stellte zu Beginn den Weg der Organisation dar. CAL wurde 2004 auch als Reaktion darauf gegründet, dass sowohl die Frauen- als auch die Schwulenbewegung im südlichen Afrika die Belange von Lesben ignorierten. In ihrem Gespräch mit Karin Heisecke, die den LSVD bei der Gestaltung und Beantragung von Masakhane maßgeblich beraten hatte, beschrieb Dawn Cavanagh, wie wenig Raum Frauenrechten in den etablierten, häufig männlich dominierten Organisationen eingeräumt wurde. Auch bei der finanziellen Unterstützung von Projekten wird ausgegrenzt und priorisiert, etwa indem Fördermittel aus den Töpfen für LSBTI weit überwiegend HIV-bezogenen Initiativen zugutekämen. CAL setze dagegen konsequent auf die eigene politische Analyse und entwickelt Perspektiven, um aktiv und sichtbar politisch gestalten zu können. So lobbyiere CAL auf nationaler und internationaler Ebene, würde auf diese Weise sichtbar für andere Bürgerrechts- und Menschenrechtsbewegungen sowie politische Aktivisten/innen innerhalb Afrikas genauso wie auf UN-Ebene. Im April dieses Jahres hat CAL nach langen Jahren der politischen Arbeit offiziellen Beraterinnenstatus in der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte erhalten und kann deshalb dort nun selber sprechen.
Nur durch eine Zusammenarbeit in breiten Bündnissen ist dieser Erfolg möglich geworden. CAL setze darauf, die Solidarität mit anderen bürger- und menschenrechtlichen Anliegen zu vertiefen und darüber Verbindungen und Netzwerke zu schaffen. Sich dabei nicht vor allem als Opfer wahrzunehmen und in dieser Sichtweise zu verharren, sei ein wesentlicher Ausgangspunkt für wirkungsvolle politische Arbeit, mahnte Dawn Cavanagh. Dagegen seien die politische Analyse von Machtverhältnissen und eine breite Vernetzung ebenso von zentraler Bedeutung, wie eine klare eigene politische Identität. Hier sei bei CAL allen Akteurinnen gemeinsam, dass sie sich als „RALFS“, als Radical African Lesbian Feminists — verstünden. Dawn Cavanagh räumte ein, dass für CAL, als Ort für Frauen, die Belange von Trans* eine Herausforderung darstellten, der sie sich stellten und die sie zum Anlass für ihre inhaltliche und politische Weiterentwicklung nähmen.
Mit Blick auf Masakhane hob Dawn Cavanagh hervor, dass das Projekt Möglichkeiten schaffe, länderübergreifend die einzelnen Mitglieder der unterschiedlichen Organisationen zu schulen, um sie so besser auf die in jedem einzelnen Land anstehenden Auseinandersetzungen und aktuelle politischen Herausforderungen vorzubereiten.
Braucht es bei uns in Europa (wieder) auch „RELFS“, Radikale Europäische Lesbische Feministinnen? Mit dieser Frage leitete Karin Heisecke über zu dem von Eva Henkel moderierten Gespräch über lesbische Präsenz in politischen Netzwerken und Kampagnen und die Stärkung lesbischer Sichtbarkeit.
LSVD-Bundesvorstand Uta Schwenke hat Masakhane mitinitiiert und betreut es seitdem im Auftrag des BMZ ehrenamtlich als Projektleitung auf deutscher Seite für den LSVD gemeinsam mit Sonja Schelper von filia.die frauenstiftung. Sie verwies auf den langen Weg der Zusammenarbeit des LSVD mit dem BMZ in kleineren Projekten und die unterstützende Lobbyarbeit, auch mit anderen Organisationen, die ein Projekt wie dieses erst möglich gemacht habe. Bei diesem Projekt mit 500.000 Euro Projektmitteln für den Zeitraum 2013 bis 2016 handelt es sich um die größte Fördersumme, mit der eine deutsche Regierung bislang die Menschenrechtsarbeit für LSBTI unterstützt hat.
Manuela Kay ist Chefredakteurin der L‑Mag und eine der Geschäftsführerinnen des Verlags Special Media SDL, der u.a. L‑Mag und die Siegessäule herausgibt. Von der der LAG Lesben NRW wurde ihr gemeinsam mit Gudrun Fertig gerade der Augspurg-Heymann-Preis für ihre Verdienste um die lesbische Sichtbarkeit verliehen. Sie beschrieb ihre Erfahrungen zur Vernetzung im Medien- und Anzeigengeschäft. Hierbei ginge es neben den inhaltlichen Schwerpunkten notwendigerweise auch um wirtschaftliche Interessen, um das Projekt zu erhalten. Ihrer Erfahrung zufolge hätten Männer oft ein unproblematischeres Verhältnis zum Geld, während in der Wahrnehmung von Lesben immaterielle Ideale im Vordergrund stünden. In der Vernetzung hätten sie hier immer wieder Widerstände zu überwinden.
Dr. Birgit Bosold, u.a. Mitglied im Vorstand des Schwulen Museums* Berlin, und Kuratorin der am 26. Juni eröffnenden Ausstellung „Homosexualität_en“, erzählte, dass dieses Projekt 30 Jahre Vorlauf gehabt habe und das Ergebnis kontinuierlicher Kooperationen mit verschiedenen Bundesstiftungen und Veranstaltern sei. In Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum geht das Schwule Museum* nun mit der aufsehenerregenden Sonderschau zur Geschichte, Politik und Kultur homosexueller Menschen an den Start. Dank der Kooperation beider Museen und der Unterstützung durch die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder werden die homosexuellen Emanzipationsbewegungen und ihr politischer Beitrag für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei werde auch die Rolle der Lesben in der Bewegung einen ausdrücklichen Platz erhalten.
Auf die Frage, wie wichtig identische Ziele für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit seien, verwies Dawn Cavanagh auf das eher pragmatische Vorgehen von CAL. Anfangs hätten sie Partner /innen mit gleichen Ziele gesucht, nach einer Weile aber festgestellt, dass es auch unterschiedliche Formen von Allianzen und Partnerschaften geben könne. Die Ziele aller Beteiligten seien dann vielleicht nicht deckungsgleich, bei den generellen politischen Anliegen gäbe es dafür aber eine ausreichend große Übereinstimmung auf. Dies sei ein echter Wendepunkt für CAL gewesen.
Beeindruckt von der Analyse und Strategie zeigte sich Uta Schwenke aus der nun schon eineinhalb Jahre währenden Zusammenarbeit mit CAL. Als role model für eine Zusammenarbeit habe sie von ihren Projektbesuchen in Südafrika außerdem den freundlichen und offenen Umgang der unterschiedlichen Partner/innen miteinander, von Dawn Cavanagh „humbleness“ (Bescheidenheit) genannt, mitgenommen. Auch eine Vernetzung über Landesgrenzen hinweg, sei etwas, das sie so bisher weder in Deutschland noch in Europa in diesem Umfang wahrgenommen habe.
Übereinstimmend wurde von allen Podiumsteilnehmerinnen für einen langen Atem bei wichtigen Projekten plädiert. Ausdauer und perspektivisches Denken seien so banal wie wichtig.
Entscheidend seien dafür eine Grundsolidarität sowie ein freundlicher und unterstützender Umgang miteinander. Dass gemeinsame Anliegen und nicht zwingend deckungsgleiche Bewertungen und identische Ziele für erfolgreiche Kooperationen erforderlich seien, unterstrichen alle mit Verweis auf ihre eigenen Projekt- und Netzwerkerfahrungen. Wenn sich bei Netzwerkpartner/innen Differenzen ergäben, gelte es, diese auszuhalten und Konflikte auch zuzulassen. Alle Teilnehmerinnen sahen hier die Notwendigkeit und das Potential für eine bessere Zusammenarbeit in der Zukunft. Nur dann gibt es ein Gemeinsam, gibt es ein Stärker.
Eva Henkel