Gegenwärtig sollen die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung hat sich bei Aktivist_innen in diesen Ländern umgehört. Wie sicher ist es dort für LSBTI?
In Marokko droht aktuell zwei Männern wegen eines Kusses vor einer Moschee eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. In Tunesien wurden noch im Dezember 2015 sechs junge Männer wegen ihrer Homosexualität zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Ganz aktuell sind Schwule in Tunesien Ziel einer öffentlichen homophoben Kampagne, initiiert im April durch einen bekannten Schauspieler im tunesischen Fernsehen. Zahllose homophobe Beiträge in den sozialen Medien sind die Folge, viele mit Gewaltandrohung. Ladenbesitzer und Taxifahrer hängen Schilder auf, in denen sie LSBT öffentlich ihre Dienste verweigern. Und bei alledem ist bisher kein Eingreifen des tunesischen Staates zu erkennen.
Wie kann man da von einer Sicherheit für LSBT sprechen?
Unsere Partnerorganisationen sind daher auch über das Vorgehen von Deutschland erschrocken. So betont die tunesische Organisation „damj for justice and equality“, dass Tunesien kein sicheres Land für LGBTI Menschen sei. Diese sähen sich in Tunesien überall in ihrem Alltag einer Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt. Die Gesetzesänderung hätte einen dramatischen Effekt auf LGBTI-Asylsuchende aus Tunesien, wie Badr Baabou im Interview betont. Auch ein Mitbegründer der tunesischen LGBT-Menschenrechtsorganisation „Mawjoudin – We exist“ erklärt, dass die geplante Änderung viele betroffene Menschen davon abhalten wird, die Sicherheit und den Schutz zu suchen und zu haben, den sie in Tunesien nicht erhalten. Die marokkanische Organisation „ASWAT (The Collective)“ bezeichnet den geplanten Beschluss im Hinblick auf die aktuelle Situation von sexuellen Minderheiten in Marokko als unmenschlich und diskriminierend.
Das Konzept der „sichere Herkunftsstaaten“ begegnet größten menschenrechtlichen Bedenken. Die damit verbundenen Schnellverfahren ohne Zugang zu fachkundiger Beratung und ausreichendem Rechtsschutz bedeuten gerade für Menschen aus dem LSBTI-Personenkreis, dass sie faktisch von einer fairen Prüfung ihrer Asylgründe ausgeschlossen werden. Zudem werden sie verpflichtend in besonderen Aufnahmeeinrichtungen mit Menschen aus ihren Herkunftsländern untergebracht, so dass sie Gefahr laufen, den gleichen Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmechanismen wie in ihrer Heimat ausgesetzt zu sein.
Der LSVD ist folglich gegen die geplante Einstufung. Wer Algerien, Marokko und Tunesien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt, rechtfertigt die Verfolgung Homosexueller. Er macht sich mitschuldig, dass dort Menschen politisch verfolgt, eingesperrt und misshandelt werden, nur weil sie anders lieben.
Guido Schäfer
Hirschfeld-Eddy-Stiftung