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Wird das gemeinsame Adoptionsrecht zum Thema der Bundestagswahl?

Interview mit Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D. und LSVD-Bundesvorstand, zum Adoptionsurteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.02.2013 (1 BvL 1/11,  1 BvR 3247/09).

respekt!: Das Verfassungsgericht hat das Verbot der Sukzessivadoption gekippt. Welche Erwägungen liegen dem Urteil zugrunde?

 

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe. Durch die Ablehnung der Elternstellung des Stiefelternteils werde das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte familiäre Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern erschwert, weil dann eine gleichberechtigte Wahrnehmung der Elternverantwortung durch beide Lebenspartner nicht möglich sei.

Außerdem werde die Rechtsstellung des Kindes bei Auflösung der Lebenspartnerschaft durch Trennung oder Tod verbessert (Unterhalts- und Erbansprüche). Bei einer Trennung bleibe das Sorgerecht ohne Stiefkindadoption bei dem rechtlichen Elternteil. Ein gemeinsame Sorgerechtsausübung oder die Übertragung des Sorgerechts auf den anderen Partner sei auch dann nicht möglich, wenn das für das Kindeswohl besser wäre.

In verschiedenen Kommentaren wird das Urteil als „historisch“ und „grundsätzlich“ eingestuft. Teilt der LSVD diese Einschätzung?

Ja. Die Lebenspartnerschaft wird zwar von der Bevölkerung durchweg akzeptiert. Aber vor allem aus der Union kommt immer wieder die Behauptung, das Grundgesetz schütze nur die Ehe oder verbiete es, dass Kinder von schwulen Männern oder lesbischen Frauen adoptiert werden. Dem hat das Bundesverfassungsgericht eine positive Einschätzung des familiären Rahmens der Regenbogenfamilien entgegen gesetzt. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht seine feststehende Rechtsprechung noch einmal bekräftig, dass der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht hindert, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Denn dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht erfreulicherweise auch auf den historischen Kontext verwiesen, dass gleichgeschlechtliche Eltern im Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes angesichts der damaligen Strafbarkeit und der gesellschaftlichen Verpöntheit von Homosexualität außerhalb des damaligen Vorstellungshorizonts gelegen hätten. Die Grenzen der damaligen Vorstellungswelt und des dabei unterlegten historischen Begriffsverständnisses seien indessen mit der Veränderung der rechtlichen Einordnung von Homosexualität nach und nach entfallen. Zwei Personen gleichen Geschlechts als Elternpaar anzusehen, scheitere heute nicht mehr daran, dass homosexuellen Paaren rechtliche Berechtigung und Anerkennung ihrer dauerhaften Partnerschaft schlechthin verweigert würden.

Das gilt natürlich in gleicher Weise für die Anerkennung der Partnerschaften von Lesben und Schwulen als Ehe.

 

Das Gericht verweist in der Begründung darauf hin, dass „die Entscheidung, ob der Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption mit dem Grundgesetz vereinbar ist“ nicht Gegenstand des Verfahrens war. Gibt es dennoch Passagen des Urteils, die als Argumente für ein gemeinsames Adoptionsrecht herangezogen werden können?

Ja, natürlich. Das Bundesverfassungsgericht hat die sukzessive Adoption angenommener Kinder zugelassen, weil die betroffenen Kinder durch das Verbot der Stiefkindadoption in verfassungswidriger Weise gegenüber adoptierten Kindern von Ehegatten benachteiligt werden. Für diese Ungleichbehandlung der betroffenen Kinder im Verhältnis zu adoptierten Kindern von Ehepartnern gebe es keine Rechtsfertigung. Das gilt natürlich in gleicher Weise für die gemeinschaftliche Adoption.

 

Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Welche gesetzlichen Regelungen fordert der LSVD?

Wir sind der Meinung, dass der Gesetzgeber nicht nur das Verbot der Stiefkindadoption adoptierter Kinder durch Lebenspartner aufheben muss, sondern auch das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption. Das Verbot ist ohnehin obsolet, da Lebenspartner Kinder jetzt nacheinander adoptieren dürfen.

Außerdem werden wir fordern, dass die Abstammung von Inseminationskindern neu geregelt werden muss. Zurzeit kann die Co-Mutter nur durch die Adoption ihres „Stiefkindes“ rechtlich zum zweiten Elternteil des Kindes werden. Das ehelich geborene Kind hat dagegen von Geburt an zwei Elternteile (§ 1592 Nr. 1 BGB). Für das uneheliche Kind besteht durch Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1592 Nr. 2; 1594 ff. BGB) schon vor der Geburt, aber auch zeitnah nach der Geburt, die Möglichkeit, zwei Elternteile zu haben. Es gibt keinen hinreichenden sachlichen Grund, dem durch Insemination in eine Lebenspartnerschaft geborenen Kind diese Möglichkeit zu verweigern.

Wir werden deshalb im kommenden Bundestagswahlkampf von den Parteien fordern, auch für die Partnerin der Mutter die Möglichkeit zu schaffen, durch eine entsprechende Erklärung ab der Geburt des Kindes Elternrecht zu erwerben.

siehe auch: Karlsruhe kippt Verbot der Sukzessivadoption

Renate Rampf

 



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