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Yogyakarta-Allianz zur Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzepts

Vorschläge und Fragen der Yogyakarta-Allianz zum LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung von 2021

Berlin, 10. Dezember 2021

Das übergreifende Ziel des LSBTI-Inklusionskonzepts für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit lautet:

Die deutsche Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit unterstützen die zivilgesellschaftliche Menschenrechtsarbeit für LSBTI-Personen strukturell nachhaltig unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Vulnerabilitäten und Mehrfachdiskriminierungen.“

Wir sehen die Einbeziehung der Zivilgesellschaft als entscheidend für die Umsetzung an und konzentrieren uns auf folgende Fragen:

  • Welche Rollen, Finanzen und Entscheidungsmacht werden zivilgesellschaftliche LGBTI-Interessenvertreter*innen in (Partner)Ländern des Globalen Südens und Ostenssowie in Deutschland erhalten?
  • Was ist geplant, um das Inklusionskonzept als Querschnittsaufgabe unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft umzusetzen, zu monitoren und zu evaluieren?
  • Welche Strukturen werden aufgebaut, um das LSBTI-Inklusionskonzept innerhalb der Bundesregierung und in zuständigen Institutionen zu verankern und Kohärenz herzustellen?

Unterziel 1 lautet: „1. Im Rahmen der auswärtigen Beziehungen und der Entwicklungszusammenarbeit stärkt die Bundesregierung vermehrt zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich lokal, regional, überregional oder international für die Menschenrechte von LSBTI-Personen und gegen die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität oder ‑merkmalen einsetzen.“

Vorschläge zu Unterziel 1:

  • Prozentualen Anteil des BMZ- und AA-Etats festlegen, mit dem LSBTI-Organisationen und
    -Netzwerke im Globalen Süden und Osten im Rahmen der staatlichen EZ und von Deutschen Botschaften jährlich gefördert werden.
  • Flexibilisierung des Zuwendungsrechts: Bürokratieabbau und Verschlankung der Antrags- und Abrechnungsverfahren, damit kleinere Organisationen realistische Chancen auf Mittelbewilligung erhalten, auch für Personal- und Verwaltungskosten. Für LSBTI-Projekte muss der Eigenanteil von 25% dringend verringert werden.
  • In GIZ-Länderbüros und in Deutschen Botschaften verbindliche Ansprechpartner*innen für LSBTI-Interessen beauftragen und deren gendersensibles Capacity-Building durch lokale LSBTI-Trainings fördern. GIZ-Länderbüros und Deutsche Botschaften sollten in Absprache mit lokalen Aktivist*innen „safe spaces“ für Netzwerktreffen anbieten.
  • Kein Hinzuaddieren zu bisherigen Gender-Projekten oder Gesundheitsprogrammen, keine „Silo-Planungen“, sondern systematisches LSBTI-Mainstreaming als Querschnittsaufgabe, d.h. LSBTI-Interessen im Kontext von Maßnahmen zu Klima, Umwelt, Energie, Wirtschaft, Bildung, Digitalisierung, Stadtentwicklung, Konfliktprävention, Sicherheitssektorreform etc. beachten.
  • Länderberichte und Studien obligatorisch unter systematischer Einbeziehung der LSBTI-Organisationen vor Ort erstellen.
  • Bezugspunkt: Digitalisierung: Datenschutz und sensibler Umgang mit Daten sollten höchste Priorität haben. Beim geplanten Datensammeln ist eine genaue Risikoabwägung notwendig.
  • Bezugspunkt Intersektionalität: Feministische Menschenrechtsarbeit und Sicherheitssektorreformen: Mehrfachdiskriminierte LSBTI, vor allem bisher selten geförderte Organisationen und Netzwerke von Lesben/ LBQ Women sowie Trans- und Inter-Aktivist*innen in den Blick nehmen.
  • Bezugspunkt Postkolonialismus: Kritische Aufarbeitung der christlichen Missionsgeschichte durch staatliche und kirchliche Institutionen, sowie der deutschen Kolonialgeschichte und deren langfristigen Folgen im Kontext homo- und transphober Kolonialgesetzgebung/-verwaltung.
  • Einbeziehung der niederländischen und schwedischen Erfahrungen, wie LSBTI-Kompetenz bei der Entscheidung und Begleitung von LSBTI-Projekten sowie beim Mainstreaming gewährleistet werden kann.

Unterziel 2 lautet: „2. Die Bundesregierung nimmt im internationalen menschenrechtlichen Dialog eine Vorreiterrolle für die Achtung, den Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte von LSBTI-Personen ein.“

Fragen zu Unterziel 2, bezogen auf Informationslücken im Inklusionskonzept.

  • Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber anderen EU-Ländern, gegenüber der EU-(Kommission) sowie anderen EU-Gremien und gegenüber Staaten jenseits der EU, um die beanspruchte Vorreiterrolle für den Schutz und die Gewährleistung von LSBTI-Menschenrechten zu erfüllen und dennoch Kohärenz zu gewährleisten?
  • Wie gestaltet sich der Austausch mit anderen EU-Ländern und EU-Gremien bei der Umsetzung, im Kontext des Monitoring und der Evaluierung des LSBTI-Inklusionskonzeptes? Wie findet das Teilen von best practices und lessons learned in der LSBTI-Unterstützungsarbeit statt, etwa zwischen Botschaften und Geber/Durchführungsorganisationen unterschiedlicher europäischer Länder?
  • Wie gestaltet sich der Austausch zwischen Bundesregierung (AA) und internationalen Gremien (UN) und der LGBTI Core Group in der Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzeptes?
  • Wie relevant ist der Austausch in der Equal Rights Coalition und im Global Equality Fund für die Implementierung, das Monitoring und die Evaluierung des LSBTI-Inklusionskonzeptes?
  • Wie relevant ist für diese Ebenen (EU, UN) der Dialog zwischen Bundesregierung (AA, staatliche EZ) und nationalen sowie regionalen LSBTI-Organisationen? Werden deren Stimmen gehört und vermittelt?
  • Wie verhält sich die Bundesregierung im bi-lateralen Dialog mit homophoben Regierungen? Wie tauscht sie sich darüber mit Regierungen anderer EU-Länder und mit EU-Gremien aus?
  • Sind angesichts der steigenden Gewalt gegen LSBTI-Personen in vielen Ländern besondere präventive Schutzmaßnahmen geplant? Wie soll bei Visa-/Asylanträgen ‘Do not Harm’ gelten?

Weiterführende Fragen zu Monitoring und Evaluierung der Umsetzung des Inklusionskonzeptes

  • Nach welchen Kriterien sollen strukturiertes und transparentes Monitoring sowie Evaluierungen erfolgen, die für die international nachvollziehbare Bewertung des LSBTI-Inklusionskonzeptes wichtig sind?
  • Wie/wann sollen verbindliche und nachprüfbare Indikatoren sowie Logframes erstellt werden? Werden LGBTI-Interessenvertreter*innen in die Festlegung von Indikatoren etc. einbezogen?
  • Welchen Stellenwert sollen UNDP/Weltbank-LSBTI-Inklusionsindikatoren haben?
  • Welchen Stellenwert sollen OECD-DAC-Indikatoren haben?
  • Welche Bedeutung sollen der ILGA-Rainbow Index und der ILGA-Index zu State-Sponsored Homophobia und andere internationale Indizes zur Bemessung von LSBTI-Inklusion haben?
  • Welche Bedeutung sollen die Yogyakarta-Prinzipien und dieBerichte des UN Independent Expert on sexual orientation and gender identity haben?
  • Welche Relevanz hat der Global Index on Legal Recognition of Homosexual Orientation (GILRHO)? Das betrifft etwa Bewertungen von (außen/entwicklungspolitischen) Maßnahmen zur Sicherheitssektorreform, die von der deutschen Regierung in Partnerländern gefördert werden
  • Welche Bedeutung sollen die Indikatoren aus dem 3. Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit für das Monitoring / die Evaluierung des LSBTI-Inklusionskonzepts haben, zumal darin LSBTI erwähnt werden?

Weitere Fragen

  • Was soll bei Nichterreichung der Ziele (und noch festzulegenden Indikatoren) geschehen?
  • Welche Relevanz sollen Beschwerdemechanismen (der Bundesregierung und ihrer Durchführungsorganisationen) erhalten, damit LSBTI-Menschen/-Organisationen diese für Kritik an Missständen nutzen können?

Angenommen von der Yogyakarta-Allianz, veröffentlicht im November 2021

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