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Yogyakarta Allianz: Ziele und Herausforderungen

Renate Rampf (HIrschfeld-Eddy-Stiftung) - Foto: Caro KadatzEinführungsreferat von Renate Rampf (Hirschfeld-Eddy-Stiftung), anläßlich der Veranstaltung “Kick-off: Yogyakarta-Allianz — Ein zivilgesellschaftliches Bündnis für eine LSBTI-inklusive Entwicklungs- und Außenpolitik” im Deutschen Institut für Menschenrechte, 26. April 2013.

Liebe Frau Rudolf, vielen Dank für die freundliche Einführung.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, ich begrüße Sie und Euch im Namen der Hirschfeld-Eddy-Stiftung (HES).

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist uns seit vielen Jahren als ermutigende und zuverlässige Partnerorganisation im Engagement für die Menschenrechte von LSBTI bekannt. So auch im November letzten Jahres, als wir Ihnen von dem Vorhaben berichteten, ein Bündnis zur Inklusion von LSBTI-Themen in die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit zu gründen. Sie haben ohne Zögern die Unterstützung durch eine Kick-off Veranstaltung angeboten. Ich danke dabei auch für die gute Zusammenarbeit mit Frau Kämpf.

Kick-off heißt beim Football der Anstoß, der den Ball weit in das Feld schießt. Für die Yogyakarta-Allianz gab es eine Reihe von Anstößen. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Ise Bosch danken, die mit dem Konzept der Regenbogenphilanthropie dafür sorgt, dass den LGBTI-Menschenrechten Aufmerksamkeit, Expertise und Ressourcen gewidmet werden.

Ein wichtiger Anstoß kam aus Schweden und aus dem Deutschen Institut für Menschenrechte: Zur Vorstellung der 2. LSBTI-Geberstudie 2011, die von Dreilinden und dem Institut für Menschenrechte gemeinsam herausgegeben wurde, sprach Lisa Fredriksson von der schwedischen Organisation für internationale Entwicklungszusammenarbeit SIDA (Swedish International Development Cooperation Agency) und berichtete über den dortigen Aktionsplan zum LSBTI-Mainstreaming. Der Ansatz gilt bis heute als vorbildlich, insbesondere weil er mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet ist und durch Evaluation weiter verbessert wurde.

Selbstverpflichtung nach dem schwedischen Modell?“ Im Handbuch „Yogyakarta-Plus“ von 2011 ist das als Frage formuliert. Denn die Situation in Schweden ist in vielerlei Hinsicht anders. Bezogen auf Gleichstellungspolitik ist uns Schweden um mindestens 5 Jahre voraus, das zeigt sich etwa am Zeitpunkt der Öffnung der Ehe 2009. Und während dort die Außen- und Entwicklungspolitik in einer einzigen Organisation zusammengefasst ist, kümmern sich in Deutschland zwei Ministerien und eine Durchführungs- und eine Beratungsorganisation um die internationale Arbeit. Dazu kommen noch eine Reihe großer Akteure wie Stiftungen, kirchliche Organisationen und andere zivilgesellschaftliche NGOs, die ebenfalls auf diesem Feld aktiv sind.

Im Spätsommer 2012 sorgte der LSVD dafür, dass die Forderung nach einem LSBTI-Inklusionskonzept für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit in die Verhandlungen zum Aktionsplan der Bundesregierung einbezogen wurde. In unserem Formulierungsvorschlag wurde ausdrücklich von einer Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zur „Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien“ gesprochen. Das wurde zwar nicht aufgenommen, aber immerhin heißt es, die Bundesregierung werde die „Anwendung der Yogyakarta-Prinzipien fördern und Leitlinien zu deren Umsetzung in der Entwicklungszusammenarbeit entwickeln“.

Auf dem vierten Fachtag Regebogenphilanthropie im Herbst 2012 haben wir die Gründung eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses angekündigt. Im Anschluss haben die drei Initiatoren Dreilinden, TriQ und Hirschfeld-Eddy-Stiftung den Aufruf zur „Erstellung eines LGBTI-Inklusionskonzepts für die Auswärtigen Dienste und Entwicklungszusammenarbeit“ gestartet. Das Bündnis traf sich erstmals im November letzten Jahres und stieß auf großes Interesse. Positive Rückmeldungen kamen von HRW, von Queeramnesty, von Parteistiftungen, Projekten aus der LSBTI-Community und vielen Einzelpersonen.

Die konkrete Arbeit am Bündnis, das sich inzwischen fünf Mal getroffen hat, wird zur Zeit von TriQ, der HES sowie vom CSDSO, den Wirtschaftsweibern, dem CSD Berlin, dem LSVD-Zentrum MILES, von discover football und engagierten Einzelpersonen getragen. Die meisten sind heute hier und werden Inputs geben.

Die kleine Initialgruppe hat in der kurzen Zeit schon eine Menge geschafft, ein paar Beispiele:

  • Das Bündnis hat sich den Namen „Yogyakarta-Allianz“ gegeben und sein Selbstverständnis und erste Zielsetzungen formuliert.
  • Wir haben uns darum gekümmert, dass das SPD-Positionspapier zur Entwicklungszusammenarbeit „Eine Welt, eine Zukunft“ erweitert wurde. Darin steht sich nun auch, dass „sexuelle und geschlechtliche Minderheiten (…) häufig Opfer von Diskriminierung und Verfolgung“ werden.
  • Die „Yogyakarta-Allianz“ hat ein Papier mit ersten Forderungen in Richtung des Auswärtigen Amtes formuliert.

Ziel des Bündnisses ist die Verabschiedung von Positionspapieren, die Beteiligung an nationalen und internationalen Konsultationsprozessen und die Vernetzung der relevanten Akteure. Mit unserer Veranstaltung heute wollen wir zunächst die Gruppe konsolidieren und den Kreis der Aktiven erweitern. Das Bündnis ist ein Projekt das intellektuell, kommunikativ und politisch herausfordernd ist.

Wir haben es mit vier grundsätzlichen Herausforderungen zu tun:

Eine zentrale Frage ist wie es gelingen kann, die politisch bislang eher getrennten Bereiche der LSBTI-Arbeit und der Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Arbeit besser zu verknüpfen. Hier gibt es schon eine Reihe von Ansätzen sowohl in Menschenrechtsorganisationen als auch in LGBTI-Projekten. Es wird darum gehen, Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, die nicht mehr Termine bedeuten, sondern mehr Optionen eröffnen.

Es wird auch sehr wichtig sein, wie wir das Wissen organisieren und die Ressourcen einteilen. Denn die Expertise in dem Bereich kommt in einer geradezu erschöpfenden Menge an Berichten, Beschlüssen und Positionspapieren daher. Ich setze dabei auf die Kraft der Mischung von Idealismus und Pragmatismus. Eine Chance sehe ich auch in den Möglichkeiten der elektronischen Medien und der sozialen Netzwerke

Eine dritte Frage, die uns ständig begleiten wird, ist die, wie und ob es möglich ist, Einfluss zu nehmen und Impulse zu setzen. Das gilt besonders für die Ministerien, Durchführungsorganisationen und großen Institutionen. Wir verstehen uns als Stimme aus der Zivilgesellschaft und als solche werden wir möglicherweise ein bisschen nerven müssen. Wir werden nicht immer den Ton treffen, der erwartet wird. Damit meine ich nicht nur den Stil oder Duktus, den Papiere haben müssen, die ein Ministerium verarbeiten kann. Wir werden auch einen anderen Rhythmus und eine andere Form von Expertise haben.

Vor allem aber werden wir uns immer wieder mit dem freundlichen Grau der Intransparenzen und Formalitäten von Administration und Politik auseinandersetzen müssen. Wie sieht beispielsweise die konkrete Arbeit aus, die durch das BMZ finanziert wird? Es gibt recht viele positive Sätze zu sexuellen Minderheiten und Vielfalt, aber wir können nicht herausfinden, was konkret in der Arbeit geschieht. Das heißt, wir müssen nicht nur Hintergrundgespräche führen und Papiere schreiben, sondern auf mittlere Sicht auch an Kampagnen denken.

Der sehr wichtige vierte Punkt betrifft die Vernetzung und die Kommunikation mit LSBTI aus  Ländern des globalen Südens, dem Fokus der Arbeit. Diese Frage haben wir heute bewusst zurückgestellt, um uns nicht zu überfordern. Wir werden an dieser Stelle auch von den Ministerien mehr fordern müssen: Der Süd-Nord-Dialog zum Thema LGBTI-Menschenrechte muss zum Gegenstand der Projektförderung werden. Bislang gibt es dafür weder Mittel noch Programme.

Die Veranstaltung heute hat die Aufgabe, die Arbeit zu vertiefen: Mit Inputs und in den Arbeitsgruppen werden wir damit beginnen, thematische Schwerpunkte zu benennen. Wir werden über das Selbstverständnis und die Verfahrensweise sprechen.

Die Größe der Aufgaben sollte uns nicht schrecken. Die Zukunft ist offen, das zeigt sich in wenigen Themenbereichen so sehr, wie in der Frage des Umgangs mit sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität: In 14 Ländern ist inzwischen die Ehe geöffnet. Zum Beispiel in Uruguay oder Neuseeland. Auch in Frankreich wurde es verabschiedet, allerdings begleitet von einer homophoben Massenbewegung, die einen Trend zeigt, militanter zu werden. Und mit Sorge blicken wir auf die Rekriminalisierung ist Osteuropa. Dort wird nicht der Weg über das alte Strafrecht gewählt, sondern — wie ganz aktuell in Irkutsk — die “Propaganda von Homosexualität” verboten. Und daneben die 80 Staaten mit homophobem Strafrecht, von denen in einigen noch Strafverschärfung diskutiert wird.

Die Yogyakarta-Allianz ist ein Bündnis zur Einmischung in die Politik. Wir wissen nicht, wie gut es gelingen wird. Aber eines kann ich Euch und Ihnen versichern: Alle, die von unserem Bündnis hören, wollen, dass mehr gemacht wird und sie setzen darauf, dass wir es versuchen.

Ich wünsche uns in diesem Sinne einen konstruktiven Tag.

Link zum Veranstaltungsbericht

 

Fotos: Caro Kadatz



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