Konferenz von Hirschfeld-Eddy-Stiftung und Auswärtigem Amt
Article in English
LSBTI kennen das Problem seit langem: Hindernisse bei der Registrierung ihrer Organisationen, CSD-Verbote, Einschränkung der Versammlungsfreiheit, Probleme beim Funding, den Aktivismus erstickende bürokratische Anforderungen der Behörden, Schmutzkampagnen der Medien und Angriffe auf Leib und Leben. Der Handlungsspielraum von Menschenrechtsverteidiger*innen war und ist in vielen Ländern eingeschränkt.
Neu ist, dass das Phänomen des „shrinking space“, das immer mehr zivilgesellschaftliche Zielgruppen in immer mehr Ländern mit immer ausgefeilteren Methoden betrifft. Diesem Thema widmeten Hirschfeld-Eddy-Stiftung und Auswärtiges Amt am 1. Juni eine halbtätige Konferenz.
Gegen den Shrinking Space
Vor über 100 Vertreter*innen aus Politik, Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit illustrierten Expert*innen zunächst Charakteristika des Phänomens des ‚shrinking space‘. Im zweiten Panel berichteten Aktivist*innen über ihre Erfahrungen. Abschließend diskutierten Vertreter*innen der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft über mögliche Gegenstrategien.
Botswana und Russland
In einer Videoansprache ging Monica Tabengwa (Pan Africa ILGA) auf die erfolgreiche strategische Prozessführung in Botswana zur Registrierung der Organisation Legabibo ein. Prozessführung müsse immer auch durch eine Aufklärungskampagne über Motive, Sinn und Zweck der Klage begleitet werden. Selbst wenn der Gang vor Gericht nicht erfolgreich sei, so könne doch versucht werden, die Bevölkerung für die Anliegen zu sensibilisieren. Eine Klage könne also die Sichtbarkeit und Integration von LSBTI in die Gesellschaft stärken.
Die Arbeit des LSBTI-Filmfestivals Side by Side St. Petersburg stellte Gulya Sultanova vor. Bis 2011 habe es kaum Probleme gegeben. Doch dann initiierten staatliche Stellen und Medien eine regelrechte Hasskampagne. Druck und Einschüchterung nahmen dennoch enorm zu. Zum Beispiel durch das Propagandagesetz von 2012 und das Gesetz über ausländische Agenten (2014). Letzteres verbietet es Russ*innen mit bestimmten Organisationen aus dem Ausland zu kooperieren. Der Staat unterdrücke Freiräume und verfolge das Ziel, eine lebendige Demokratie zu torpedieren. Wessen Geistes Kind Vertreter*innen der russischen Behörden und einiger Medien seien, das hätten die Reaktionen auf die Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien verdeutlicht: Die einen negieren und ermitteln erst, nachdem der Druck aus dem Ausland stieg. Die anderen machten sich über Angela Merkel lustig, die „sich wieder Sorgen über Schwule“ mache. Solidarität zeigte man nur mit den Journalist*innen, die über die Hatz berichtet hatten und deshalb bedroht wurden.
Zentralasien, Türkei und Uganda
Julia Ehrt (Transgender Europe) stellte ein Projekt zum Monitoring von transfeindlicher Gewalt in Osteuropa und Zentralasien vor, bei dem es auch um Aufbau und Empowering der Community geht. Gewalttaten auch seitens der Polizei gegen Transmenschen in der Türkei behindern die Selbstorganisation, weil man sich mit Sicherheitsfragen befassen müsse. In Kirgistan wurde auf die Organisation Labrys ein Brandanschlag verübt, Ermittlungen haben nicht stattgefunden, die Täter genießen Straffreiheit. Seit 2008 habe es global 2.343 Morde an Transmenschen gegeben, „eine Riesenzahl gemessen an der Größe der Community“, so Ehrt. Polizei und Gerichtsbarkeit versagten weltweit bei der Verfolgung von transfeindlichen Taten. Geld und Projektförderung seien Katalysatoren für Veränderung. Würden Gelder abgezogen, dann entstehen Lücken, die die Handlungsspielräume der Aktivist*innen einschränken.
Die Mitbegründerin von FARUG Kasha Nabagesera, berichtete, dass es seit 2006 in ihrer ugandischen Heimat regelmäßig vor Wahlen die Situation für LSBTI gefährlich wurde. Behörden, Politik, Medien verschärfen die Situation für LSBTI, Antihomosexualitätsgesetz und Anti-NGO-Gesetz tun ihr übriges. Die Regierung störe sich daran, dass LSBTI sich organisieren und Forderungen stellen. Die stärkste Waffe der LSBTI-Aktivist*innen aber seien nationale und internationale Allianzen. So fänden auf UN-Ebene neue Auseinandersetzungen statt. Die ugandische Regierung setze alles daran, dass ugandische Organisationen in Genf oder New York ausgeladen werden. Doch es gebe auch Fortschritte, etwa bei der Polizei, wo sich Ansprechpartner auch für ihre Belange einsetzten. Staatliches Handeln ziele auch auf die Isolation der Aktivist*innen: Wenn Partnerorganisationen sich zurückziehen, wenn Aktivist*innen weniger Einladungen erhalten, so mache sie dies verwundbarer.
Wie gegensteuern?
Als Gegenstrategien identifizierten die Panelist*innen die Erhöhung des Drucks aus In- und Ausland, die Bildung von starken zivilgesellschaftlichen Netzwerken, den Abbau von Bürokratie bei der Projektantragstellung die Nutzung der stillen Diplomatie sowie ein klares Bekenntnis der EU-Staaten zu den menschenrechtlichen Standards in ihren Außenbeziehungen. Vor allem nach dem Ausfall der USA müsse die EU mit gutem Beispiel vorangehen. Diplomat*innen sollten offen für LSBTI-Belange eintreten, Räume für Aktivist*innen zur Verfügung stellen und den Austausch mit ihnen pflegen.
Björn Van Roozendaal (ILGA Europe) betonte die Bedeutung strategischer Allianzen über die eigene Community hinaus und der langfristigen und flexiblen Förderung von LSBTI-Projekten. Diese dürfe nicht nur in den Hauptstädten stattfinden. Funder müssten auch in die Fläche gehen und lokale Initiativen unterstützen. Zudem müsse dringend das Problem gelöst werden, dass nur registrierte Organisationen unterstützt werden können. Denn LSBTI-Organisationen bekommen oftmals keine Registrierung.
Barbara Unmüßig (Heinrich Böll Stiftung) unterstrich die Herstellung von Öffentlichkeit für das Thema. Ihre Stiftung habe anlässlich der Konferenz ihr LSBTI-Dossier auf der Homepage aktualisiert. Stiftungen sollten Räume und Geld zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen sich vernetzen können. So würde dem staatlichen Agieren der Spaltung und des Auseinanderdividierens entgegengetreten. Personen, die exponiert sind, gelte es zu schützen. Daher dürfe nichts ohne Absprache mit den Partner*innen geschehen.
Glaubwürdig sein
Dr. Heike Kuhn, Leiterin des Menschenrechtsreferates im Entwicklungsministerium (BMZ), verwies auf die Agenda 2030. Darin haben sich die Staaten der Welt verpflichtet, alle mitzunehmen auf dem Weg zu mehr Wohlstand und Entwicklung. Ein klarer Auftrag auch für die Menschenrechte von LSBTI. Das BMZ engagiere sich auch für LSBTI in den Bereichen Gesundheit, Berufsbildung und Rechtsstaatlichkeit. Das Problem, das bürokratische Kriterien und Förderrichtlinien gerade auch für die meist kleinen LSBTI-Organisationen schaffen, sei bekannt. Man arbeite an einer Lösung.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Bärbel Kofler hob hervor, dass nachhaltige Entwicklung nur bei Einhaltung der Menschenrechte möglich ist. Staat und Gesellschaft hätten sich nicht in das Privatleben der Menschen einzumischen. Internationale Foren, die EU und UN müssten genutzt werden, um mehr Aktivitäten für den Schutz von LSBTI zu entfalten. Zudem mahnte sie mehr Kohärenz von Innen- und Außenpolitik an: Bei der Gleichstellung habe auch Deutschland Nachholbedarf. Wer daheim die Hausaufgaben gemacht habe, erhöhe seine Glaubwürdigkeit auf dem internationalem Parkett.
Klaus Jetz
Geschäftsführer der Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Fotos: Caro Kadatz