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Mobilisierung, Strategien und Bündnisse für gleiche Rechte

ILGA Konferenz 2014 in RigaBerichte aus Bosnien, Zypern, Lettland, Georgien und Belgien (Konferenzbericht Teil 4)

Wie mobilisieren wir für unsere Rechte, welche Strategien verfolgen wir, welche Bündnisse gehen wir ein?  Dies sind Fragen, die am zweiten Tag der ILGA-Konferenz im Mittelpunkt der Diskussionen stehen. Es gab in den letzten Jahren Erfolge in Bosnien und Zypern. Emina Bosnjak vom Sarajewo Open Centre berichtet, dass wegen des Bosnienkrieges die LGBTI-Bewegung in ihrem Land sehr jung ist. Erst 2002 wurden erste Organisationen gegründet. In relativ kurzer Zeit, zwischen 2011 und 2014, habe man sich Gehör verschaffen können, ihre Organisation werde innerhalb der eigenen Community und seitens der Politik als Gesprächspartner anerkannt. Costa Gavriliedes von Accept LGBT Cyprus, einer Organisation, die erst 2011 registriert wurde, berichtet von einem enormen sozialen Wandel auf der Mittelmeerinsel: „Die Politik nimmt uns wahr, sie haben etwas zu verlieren, wenn sie nicht mit uns reden. Das alles begann, als die Botschaften in Nikosia mit uns redeten. Plötzlich hatte auch die zypriotische Politik ein offenes Ohr für uns.“ Als Costa und seine Mitstreiterinnen und Kollegen im Frühsommer 2014 den ersten CSD in Nikosia organisierten, rechneten sie mit 450 bis 500 Teilnehmern. Es kamen zehn Mal so viele, vor allem auch Bündnispartner, befreundete Organisationen, Politikerinnen und Politiker: Der Marsch war eine der größten Demonstrationen für Bürgerrechte in der zypriotischen Geschichte. „Es braucht einen langen Atem, und man darf den Optimismus nicht verlieren. Nachhaltiger sozialer Wandel braucht Zeit.“, so der Zypriote.

Linda Freimane von der lettischen LGBTI-Organisation Mozaika berichtet von wichtigen Kooperationen mit den Universitäten des Landes. Die jungen Leute spielen eine wichtige Rolle, sie greifen die komplette LGBTI-Themenpalette in den unterschiedlichsten Disziplinen auf, betreiben Forschung und sammeln Daten, die von der Zivilgesellschaft für ihre Arbeit genutzt werden und schaffen Raum, so dass LGBTI sich selbst organisieren können. Zudem verfüge man in einem kleinen Land wie Lettland über informelle Netzwerke, man kenne sich, lebe Tür an Tür mit politischen oder gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren. Das sind Kontakte, die man nutze.
Natia Gvianishvili aus Georgien hingegen klagt über fehlende LGBTI-Vorbilder im Land. Georgien habe zwar ein Antidiskriminierungsgesetz, doch es gebe einen enormen Widerspruch zwischen der rechtlichen und der sozialen Situation im Land. Voraussetzung für einen nachhaltigen sozialen Wandel sei eine starke LGBTI-Community, doch davon könne in Georgien noch keine Rede sein. Um so wichtige sei die Stärkung und der Aufbau der eigenen Community, Vernetzung und Kompetenztransfer, was dank des europäischen Netzwerkes auch stattfinde. „Wir kommen nicht vom Mars, uns gab es immer“, so die georgische Aktivistin. „Und bevor es eine LGBTI-Bewegung gab, gab es schon andere Bewegungen in Georgien, die Frauenbewegung und feministische Organisationen, und die sind noch immer unsere natürlichen Bündnispartner.“

Yves Aerts von der flämischen Organisation Çavaria sagt, man ernte nunmehr die Früchte der Arbeit, die vor 30 Jahren begann. Es gebe in Belgien keine starke Anti-LGBTI-Bewegung. Selbst rechte Parteien stellten die Errungenschaften nicht mehr in Frage. In den 1980er Jahren habe die eigene Community noch zerstritten gewesen. Bald aber habe man an einem Strang gezogen und mit Bündnispartnern etwa den Parteien zusammengearbeitet und so bald Erfolge gehabt. In allen Parteien gebe es LGBTI, die man für die eigenen Zwecke nutzen könne. Bündnisse gehe man auch mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, selbst mit nicht tradtionellen Alliierten wie religiösen Gruppierungen.Ulrike Lunacek

Ulrike Lunacek von der LGBTI Intergroup im Europaparlament betont, wie wichtig es ist, neben Vorbildern aus Politik, Kunst und Kultur auch Symbole zu nutzen, um sozailen Wandel sichtbar zu machen und um die Hirne und Herzen der Menschen zu erreichen. Außer der tagtäglichen politischen Arbeit im Parlament, der Mobilisierung von Mehrheiten für die eigenen Ziele, dem Bohren dicker Bretter wie etwa die Verabschiedung des Lunacek-Reports, der der Kommission einen LGBTI-Aktionsplan auf EU-Ebene empfiehlt, sei es ihr wichtig, Präsenz zu zeigen, und zwar dort, wo sie gebracht werde, etwa bei CSD-Demonstrationen in Osteuropa.

Ein wichtiger Bündnispartner für LGBTI in Europa ist die führende Menschenrechtsorganisation des Kontinents, der Europarat. Alle Mitgliedsstaaten haben die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet, die ins Leben gerufen wurde, um die Menschenrechte, die Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen. Seither wurden nicht nur am Europäischen Gerichthof für Menschenrechte in Straßburg wichtige Urteile für LGBTI erstritten. Der Europarat verfügt auch über andere Instrumente, um die Anliegen von LGBTI in den 47 europäischen Mitgliedsstaaten voranzubringen, etwa das Büro des Kommissars für Menschenrechte oder die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), die Berichte zur Menschenrechtssituation in den Mitgliedsstaaten verfasst und Empfehlungen an die jeweiligen Regierungen formuliert. Im Bericht zu Deutschland, der im Februar 2014 erschien, wird nicht nur die Forderung nach einem Aktionsplan für Toleranz vis-à-vis LGBT, sondern auch nach verstärkter Förderung für Transgender-Organisationen erhoben.

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Klaus Jetz
LSVD-Bundesverband



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