Trans*-Aktivist*innen aus Slowenien, Montenegro und der Türkei
Heute wurde im montenegrinischen Podgorica die Konferenz “Empower, Challenge, Transform” der regionalen LSBTI-Organisation Equal Rights Association ERA eröffnet. Nach der Gründungsversammlung in Belgrad im September 2015 und der letzten Konferenz in Pristina im September 2016 ist dies die zweite Jahreskonferenz des regionalen Dachverbandes, die vom Auswärtigen Amt und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung unterstützt wird. Vor zwei Jahren hatte ERA noch 26 Mitglieder, mittlerweile zählt die Organisation 56 Mitgliedsorganisationen aus den sechs Staaten des Westlichen Balkans sowie der Türkei.
Die eigene Community zu stärken und zu befähigen für die eigenen Belange einzustehen, die politischen Systeme herauszufordern und die Gesellschaften zu verwandeln, das sind die erklärten Ziele in diesem Jahr. Danijel Kalezic von Quer Montenegro hebt hervor, dass die Ausrichtung der Konferenz für die montenegrinische LSBTI-Bewegung von großer Bedeutung ist, erhöht sie doch die Sichtbarkeit im eigenen Land und trägt dazu bei, „die regionalen Kooperationen zu befördern, um ein besseres Leben in unseren Gesellschaften zu verwirklichen.“ Zudem betont er, dass der Zeitpunkt gut gewählt ist, denn in einigen Wochen starte der Gesetzgebungsprozess für die Einführung einer registrierten Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Montenegro. Auch der stellvertretende Ombudsman Montenegros hebt hervor, dass es vor einigen Jahren noch unmöglich gewesen sei, eine solche Konferenz im Land auszurichten. Man wolle auch künftig alles tun, um LSBTI Personen im Land ein besseres Leben zu ermöglichen.
In der ersten Panel-Veranstaltung berichteten dann drei Trans*-Aktivist*innen aus Slowenien, Montenegro und der Türkei von den Herausforderungen, denen sie sich tagtäglich ausgesetzt sehen. Jovan, Transmann und Vollzeit Aktivist der Organisation Spectra aus Podgorica berichtet, wie es ihm gelungen ist, durch Yoga, Lektüre, Bildung und Hebung des Selbstwertgefühls seine eigenen Fähigkeiten und Unsicherheiten zu erkennen und sich selbst zu akzeptieren. Auch Anja von TransAkcija aus Ljubljana berichtet wie sie über Selbstbefähigung, durch Lektüre und unzählige Gespräche und ständiges sich selbst hinterfragen ihr Selbstbewusstsein stärkten konnte. Natürlich erfahre sie vielfältige Formen der Diskriminierung. Dennoch fühle sie sich privilegiert, weil sie weiß sei und zudem Teil der vielfältigen LSBTI Community sei. Zudem gehöre sie einer bestimmten Gesellschaftsschicht an, die es sich erlauben könne an solchen internationalen Konferenzen teilzunehmen. Wenn sie in Diskussionen gefragt werde, warum sie sich überhaupt so aufrege, dann antworte sie, sie rege sich nicht auf, sondern argumentiere politisch. Auch öffentlich Gefühle zu zeigen, sei ein politisches Statement.
Schlimm sei die Situation, berichtete Janset aus Ankara. Sie bezeichnete sich als Überlebende, die ihr Leben einfach weiterlebe. Die Lebenserwartung von Trans*Personen in der Türkei betrage nur 40Jahre. Transfrauen seien per se wegen der Sichtbarkeit Aktivistinnen. Sie lebe in einem modernen Viertel in Ankara, dennoch gleiche ihr täglicher Gang zum Supermarkt oder zum Bäcker einem Spießrutenlauf. Es gebe keinen Tag, ohne dass sie Anpöbeleien oder Aggressionen erlebe. Die einzige Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen sei die Prostitution. Andere Jobs seien viel zu schlecht bezahlt. Sie habe viel Gewalt ertragen müssen, sei zusammengeschlagen worden, blutend zur Polizeistation gelaufen, um Anzeige zu erstatten, nur um auf die Straße geworfen zu werden. Man sei nicht zuständig, sie solle auf einer anderen Polizeiwache ihr Glück versuchen. Es liege an ihr selbst, dafür zu sorgen, dass sie Zuhause, wo auch ihr Arbeitsplatz sei, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen ergreife, um nicht überfallen und Opfer einer Gewalttat zu werden.
Die weiteren Konferenzthemen der kommenden Tage: Berichte und Vernetzung von Eltern von LSBTI aus der Türkei und Kroatien, Queer Utopia, Allianzen und Bündnispartner, Zusammenarbeit in der Region, Doppeldiskriminierung, mentale Gesundheit, Ehe für alle oder kulturelle Projekte zur Unterstützung von LSBTI-Belangen.
Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
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