Abschiedsworte für Manfred Bruns von LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein
Lieber Manfred,
es gibt nur wenige im Saal, denen es nicht so geht wie mir. Beim Eintritt in den LSVD, oder sogar beim Eintritt in den SVD — für jene die vor 1999 noch in unseren Verband eingetreten sind — warst Du schon lange Mitglied im Bundesvorstand, oder im Bundessprecherrat, wie das am Anfang noch hieß. Dadurch bist Du für den LSVD eine Institution, vergleichbar dem, was die Queen für Großbritannien ist: irgendwie schon immer da und immer pflichtbewusst Deinen Aufgaben nachgekommend. Natürlich, im Gegensatz zu einer Monarchie, hast Du Dich alle zwei Jahre erneut der Wiederwahl gestellt, wie sich das in einem Bürgerrechtsverband gehört.
Insofern ist das heute eine Zäsur für unseren Verband, wenn Du nach 26 Jahren nicht mehr für den Bundesvorstand kandidierst. Diese Zäsur spürt man auch daran, dass mir und anderen Kolleginnen und Kollegen die schon etwas bange Frage gestellt wurde: „Wisst Ihr denn, wie es weitergeht, ohne den Manfred?“
Nun, das wissen wir nicht, und wir haben uns darüber auch keine Gedanken gemacht, weil es ja mit Dir weitergeht. Die Gründe nicht mehr zu kandidieren, liegen in Deinem verständlichen Wunsch, die Beschwernisse von Reisen zu Vorstandssitzungen, Klausurtagungen und Vorstands-Besprechungen — im jugendlichen Alter von fast 82 Jahren — dann doch reduzieren zu wollen. Aber als ehemaliger Webmaster — und diesen Posten hattest Du ja ebenfalls bis vor ein paar Jahren in unserem Verband — stehen Dir und uns, alle Kanäle der modernen Kommunikation offen. Und andererseits haben wir ja Deine Zusage, auch weiterhin das große Thema „Recht“ im LSVD zu begleiten. Das zeigt, warum wir uns über das „ohne Manfred“ keine Gedanken gemacht haben, wir uns aber mit Dir natürlich Gedanken gemacht haben, dass Deine Arbeit und dieses für unseren Verband so wichtige Thema, in Zukunft von mehreren Schultern getragen und begleitet wird.
Wir haben somit ab heute zwar keinen Bundesvorstand Manfred Bruns mehr, aber der LSVD hat ab jetzt einen Justitiar Manfred Bruns, der diesen Übergang begleitet. Eine Beruhigung für uns alle, und ein Ärgernis für unsere Gegner, die meinen, der LSVD hätte seine stärkste Waffe verloren.
Es würde nun wirklich den zeitlichen Rahmen sprengen, um all‘ Deine Verdienste im Kampf für die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Trans-Menschen und Intersexuellen aufzuzählen, all‘ Deine Arbeit und Mühe in der Erfüllung der vielfältigen Aufgaben in unseren Verband. Das hieße aber auch Eulen nach Athen tragen, denn jede und jeder hier wissen das. Und darüber hinaus wissen das sehr viele Menschen, die nicht unserem Verband angehören, die auch nicht homo- oder transsexuell sind. Sie begegnen und würdigen Deine Arbeit mit größter Hochachtung und Respekt.
Das bezeugt nicht nur die Tatsache der vielen Würdigungen, Preise und Auszeichnungen die Du im Laufe der Jahre erhalten hast. Unter anderem, dass Du im Jahre 2012 zum ersten Preisträger des Preises für das Engagement gegen Diskriminierung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurdest. Auch die Dir gewidmete — und zu diesem Anlass übergebene juristischen Festschrift – in welcher die Autorinnen und Autoren von der Justizministerin über Bundesverfassungsrichter, Rechtsgelehrte, Abgeordnete und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung reichen, zeigen dies eindrucksvoll.
Dich selber könnten wir zum „Menschenrechtsbeauftragten der LSBTI-Community“ ernennen, und keiner würde widersprechen. Denn das war es, was Dich zu dieser enormen Arbeitsleistung der letzten 26 Jahre bewegte, nach dem Abschluss einer schon mehr als beeindruckenden beruflichen Karriere, die Du als Bundesanwalt beendet hast: dafür zu sorgen, dass kommende Generationen, die nicht der heteronormativen Norm der Mehrheitsgesellschaft entsprechen, trotzdem die gleichen Rechte erhalten und die gleiche Akzeptanz erfahren, wie die Mehrheit. Dass die „schrecklichen Umwege“ — wie Du es einmal genannt hast — die ein schwuler Mann, 1934 geboren, in seinem Leben in Kauf nehmen musste, sich nicht mehr wiederholen.
Und Dein Ziel beschränkte sich nicht nur darauf, diese harten Kämpfe in Deutschland auszufechten und zu gewinnen, was wir auf dem Rechtsgebiet ja fast erreicht haben. Sondern dass ein freies und selbstbestimmtes Leben für Lesben, Schwule und Trans-Menschen eines Tages weltweit möglich sein wird. Deshalb warst Du auch einer der Mentoren und Gründungsstifter unserer Hirschfeld-Eddy-Stiftung und bist in ihrem Vorstand tätig.
Für unseren Verband warst Du, und bleibst Du „eine letzte Instanz“. Nicht im Sinne einer herausgehobenen Befugnis, sondern im Sinne einer Anlaufstelle, die vieles möglich machte und nie aufhörte für Ergebnisse zu kämpfen. Innerhalb des Verbandes hast Du immer für den Konsens geworben und Kompromisse ermöglicht. Somit sind unserem Verband Grabenkämpfe und ähnliches erspart geblieben. Auch das war einer Deiner wichtigen Verdienste.
Für uns, Deine Kollegen und Kolleginnen im Vorstand und für die hauptamtlich Mitarbeitenden bist Du Freund, Ratgeber, und mit Deinem unerschütterlichem Gleichmut, oft der Fels in der Brandung gewesen. Wenn Du bei Tagungen in Pausen oder beim Abendessen auch die eine oder andere Geschichte aus Deinem bewegten Leben zum Besten gegeben hast, hat das tiefe Eindrücke bei uns hinterlassen, und die Zuneigung, die jede und jeder mit der Zeit zu „unserem Manfred“ empfunden hat, mitbegründet.
Lieber Manfred, Du bist ein Mensch dem das Pathetische überhaupt nicht liegt, was es mir nicht einfacher macht, weil Pathos könnte ich. Jemand, dessen Uneitelkeit schon fast erschreckend ist. Vor kurzem warst Du in einer Dokumentation im ZDF als Zeitzeuge über die gesellschaftlichen Verhältnisse der 60er Jahre in Deutschland zu sehen. Meine Mutter, wie Du 1934 geboren, war ganz begeistert von Deiner Art des Erzählens und was ein gutaussehender älterer Herr Du bist. Das hatte ich Dir in einer E‑Mail weitergegeben. Deine kurze Antwort war eine typische Manfred Bruns Antwort, die genau diese Uneitelkeit illustriert. Weshalb ich sie auch zitieren möchte. Du hast geschrieben: „Zu dem „gut aussehenden Herrn“: „Mein Axel“ hat mich nach dem Film getröstet: Ich sähe tatsächlich jünger aus als in dem Film, was mir ziemlich egal ist.“
Und auch im Wissen, dass Dein Abschied aus dem Bundesvorstand natürlich nicht ohne Würdigung Deiner enormen Leistung über die Bühne gehen kann, hast Du vorsichtshalber angemerkt, „da muss man ja nicht viel sagen“.
Was man aber sagen muss, und was Du aushalten musst, lieber Manfred, weil es den einfachen Tatsachen entspricht und uns allen aus dem Herzen spricht, ist das: wir alle, lieber Manfred, und damit meine ich viel mehr als die hier Anwesenden, sind Dir schlicht und einfach unendlich dankbar! Dir und Deinem Axel, aber auch Deiner ganzen Familie, die Dir so wichtig ist, wünschen wir alles Liebe und Gute. Viele weitere aktive Jahre mit der einen oder anderen Radtour, die ihr so liebt. Und uns wünschen wir, dass wir noch viele Gelegenheiten haben, mit Dir zusammen zu sein. Als unseren Bundesvorstand vermissen wir Dich jetzt schon, aber wir freuen uns auf die Zeit mit unserem neuen Justitiar.
Abschiedsrede von Manfred Bruns
Alle Beiträge zum 28. Verbandstag