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13.000 Kommunen brauchen Nachhilfe in Respekt

Schwul-lesbische Forderungen werden bislang vor allem an die Bundes- und Landespolitik gerichtet. Zwar rücken internationale Entwicklungen zunehmend in den Fokus, die rund 13.000 Kommunen in Deutschland werden aber oft nicht mitgedacht. Dabei sind Kreistage, Stadträte, Gesundheits‑, Schul‑, Jugend- und Familienämter sowie Kommunalverwaltungen nicht nur die größten Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. Sie bestimmen mit ihrer Personalpolitik und Verwaltungspraxis auch, wie Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LSBT) als Arbeitnehmende wie als Klientinnen und Klienten respektiert werden.

Nach meiner eigenen langjährigen Erfahrung als Stadtrat in Köthen denken Verwaltungen und Abgeordnete kommunalpolitisch LSBT und ihre Lebenssituationen oft nicht mit oder nur, wenn sie darauf hingewiesen werden. Es fehlt meist das dafür notwendige Wissen, wie etwa eine Münchener Studie über Fachkräfte im Jugendbereich aufzeigt. Verpflichtende Weiterbildungen sowie Diversitytrainings für Verwaltungspersonal insbesondere in den Bereichen Jugend, Familie, Soziales sowie Gesundheit und Bildung können zum kompetenten Umgang mit der Vielfalt sexueller Identität beitragen.

Kindergärten, Schulen, Jugend- und Senioreneinrichtungen sowie Sportvereine werden oftmals von den Kommunen getragen oder finanziell unterstützt. Hier gilt es, ein Bekenntnis zu Antidiskriminierung und Aufklärung über LSBT-Lebensweisen einzufordern und abzusichern. Vorfällen insbesondere an christlichen Einrichtungen wie die Kündigung einer lesbischen Erzieherin in einem Augsburger Kindergarten oder das Verurteilen von Homosexualität an der Münchener Lukas-Schule und einer Schule in Bielefeld muss von kommunaler Seite selbstbewusst begegnet werden. Ein Mitfinanzieren von Homo- oder Transphobie durch öffentliche Gelder darf es nicht geben.

Auch in der Alten- und Pflegearbeit sind die Kommunen aktiv. Bedürfnisse älterer LSBT müssen hier durch Qualifizierung des Pflegepersonals und zielgruppenspezifische Angebote mitgedacht werden. Ähnliches gilt für die Präventions- und Betreuungsarbeit im Bereich HIV/AIDS, deren Finanzierung zudem auskömmlich sein muss.

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister können mittels Schirmherrschaften für CSDs, Regenbogenfamilientage oder Rainbowflashs, mit Grußworten oder durch die Teilnahme u.a. an Fachveranstaltungen deutlich Stellung gegen Homo- und Transphobie beziehen. Trotz oftmals klammer Kassen eine leicht umzusetzende Möglichkeit, für Akzeptanz zu werben.

Im Stadtbild kann mit Straßennamen und Erinnerungsorten die sowohl von Verfolgung aber auch von Mut geprägte Geschichte von LSBT gewürdigt werden. Geburtsorte, Wirkungskreise oder Gräber bekannter LSBT-Persönlichkeiten bieten sich als lokale Bezugspunkte an. LSVD-Landesverbände haben bereits Erfahrung mit dem Initiieren und Begleiten von Stolpersteinverlegungen, damit die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten.

Eine aktive Kommunalpolitik für LSBT kann über Partnerstädte und ‑gemeinden auch internationale Strahlkraft haben, wie etwa die Erfahrungen des LSVD Hamburg oder des LSVD Köln zeigen. Veranstaltungen zur Menschenrechtslage in den Partnerkommunen, Patenschaften für dortige LSBT-Projekte oder den kommunalen Austausch begleitende Dialoge und Initiativen wirken auf die weltweite Beachtung von LSBT-Menschenrechten hin.

Durch Teilnahme an Runden Tischen und Bürgerversammlungen, in den Bürgersprechstunden, in Schüler‑, Senioren- und Elternbeiräten oder als Sachkundige in den Fachausschüssen kann Mitbestimmung realisiert werden. Mit offenen Briefen an Mandatsträgerinnen, kommunale Gleichstellungsbeauftragte oder Antidiskriminierungsstellen sowie die lokale Presse können wir unsere Positionen vertreten. Neben den Kommunalwahlen und als Stadt- und Gemeinderat gibt es viele Wege, Politik für LSBT auch kommunal mitzugestalten.

Martin Pfarr
LSVD Sachsen-Anhalt



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