Podiumsdiskussion über gleichgeschlechtliche Paare und Reproduktionsmedizin auf der LSVD-Fachtagung „Regenbogenfamilien bewegen“
Bewusste Familienplanung gehört heute zum Lebensentwurf vieler Lesben, Schwuler, Bisexueller und Trans* Personen (LSBT*). Mit viel Kreativität und häufig auch gegen Widerstände verwirklichen sie ihren Kinderwunsch. Und so wachsen schon heute in Deutschland tausende Kinder in Regenbogenfamilien auf. Wie kann aber nun eine zukünftige Familienpolitik auch dem Kinderwunsch von LSBT* Eltern gerecht werden?
Dieser Frage ging die von LSVD-Bundesvorstand Gabriela Lünsmann moderierte Podiumsdiskussion „Gleichgeschlechtliche Paare und Reproduktionsmedizin — Familiengründung zwischen Tabu und Hoffnung“ auf der der LSVD Fachtagung „Regenbogenfamilien bewegen“ nach. Denn bei Familiengründung und Kinderwunscherfüllung gibt es nach wie vor zahlreiche Hürden und Herausforderungen.
In ihrem Eingangsstatement erklärte Prof. Dr. Nina Dethloff vom Institut für Deutsches, Europäisches & Internationales Familienrecht an der Universität Bonn, dass aus juristischer Sicht die Familiengründung von gleichgeschlechtlichen Paaren weitgehend akzeptiert sei. Mit der Stiefkindadoption (2005) und der Gewährung der Suksessivadoption (2013) wurden hier wichtige Rahmenbedingungen geschaffen. Beim Thema der assistierten Reproduktion gäbe es aber noch juristischen Handlungsbedarf. Besonders beim Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen herrsche eine große Unsicherheit. Welche Methoden, darf wer in Anspruch nehmen? Das sei bisher noch nicht eindeutig durch den Gesetzgeber geregelt. Beim Thema Eizellenspende, Mehrelternschaft und auch bei der Leihmutterschaft werde der Diskurs momentan noch geführt. Schon heute gäbe es Kinder, die durch Eizellenspende oder Leihmutterschaft gezeugt wurden und in Deutschland lebten. Wenngleich die Verfahren auch umstritten sind, müsse der Gesetzgeber auch für diese Familien und vor allem für die Kinder Rechtssicherheit schaffen.
Constanze Körner, Leiterin des Regenbogen-familienzentrums des LSVD Berlin-Brandenburg, berichtete, dass das Thema Kinderwunscherfüllung in der Beratungsarbeit des Zentrums immer wichtiger geworden sei. 80% der Beratungsanfragen beträfen dieses Thema. 80% der Beratungsanfragen kämen im Übrigen auch von Frauenpaaren, so die Regenbogenfamilienexpertin. Für viele Klient*innen sei es nicht einfach an geeignete Informationen zu kommen. Die Frage „Wie können wir unseren Kinderwunsch gestalten und zu welchen Maßnahmen haben wir Zugang“, beschäftige viele der zukünftigen Eltern, so Körner. Gerade lesbische Paare hätten nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu Kinderwunschzentren. Auch beim Thema Adoption seien noch dicke Bretter zu bohren, so Körner.
Über ihre Forschungen in Israel, wo es einen regelrechten „Gay-Baby-Boom“ gibt, berichtete Prof. i.R. Dr. Ulrike Schmauch aus dem Fachbereich „Soziale Arbeit und Gesundheit“ der Frankfurt University of Applied Sciences und ebenfalls Mitglied im LSVD-Bundesvorstand. Dort nhabe jede Frau zwischen 18 und 45 Jahren uneingeschränkten Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen. Israel verfolge hier eine natalistische Strategie. Das Land habe ein starkes Interesse an Nachwuchs und begreife die Förderung von (jüdischen) Familien als Teil der eigenen bevölkerungspolitischen Strategie. Auch sei die Reproduktionsmedizin ein wichtiger Wirtschaftszweig. Gleichzeitig seien besonders lesbische Frauen inzwischen einem wachsenden gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, Kinder in die Welt zu setzen. Für lesbische Frauen hieße das: Wenn du Kinder hast, werde dir alles verziehen, auch deine lesbische Lebensweise. Schwule Männer würden für die Erfüllung ihres Elternglücks hingegen häufig ins Ausland gehen, so Prof. Schmauch. Es ist weniger der schwule Mann oder die lesbische Frau, die Kinder hat, die gesellschaftliche Akzeptanz erfahren würden, sondern Vätern und Müttern in ihrer Rolle als Eltern.
Dr. Petra Thorn, Mitglied des Deutschen Ethikrats merkte an, dass sich beim Thema Kinderwunsch in den letzten 20 Jahren viel bewegt habe, gerade bei Lesben und Schwulen. Noch vor zwei Jahrzehnten hätten sich viele gleichgeschlechtliche Paare gefragt, ob sie überhaupt so etwas wie einen heteronormativen Kinderwunsch haben dürften. Zwanzig Jahre später hätte der Kinderwunsch sie quasi überrollt, so die Familientherapeutin. Heute dächten schwule Paare über Leihmutterschaft nach und lesbische Frauen zögen eine Eizellenspende in Betracht. Hier habe sich eine Dynamik entwickelt, die man unbedingt im Sinne des Kindeswohles regeln müsse, so die Vorstandsfrau der Gesellschaft für Kinderwunschberatung.
Prof Dethloff erwiderte, dass das Recht auf Familie so wesentlich sei, dass es hier unbedingt einer gesetzlichen Regelung bedarf. Bei der heterologen Befruchtung herrsche immer noch eine unklare und unsichere Rechtslage, so die Professorin. Bereits heute sind wir mit Kindern konfrontiert, die auf unterschiedlichste Art und Weise gezeugt wurden. Der Gesetzgeber müsse dringend Regelungen und Rechtsfolgen gestalten, die sich am Kindeswohl orientieren. Dr. Thorn erklärte, dass man derzeit ein Samenspenderegistergesetz diskutiere, das sie sehr begrüße würde. Gleichzeitig merkte sie jedoch auch an, dass bei den Rechten der Samenspender nachgebessert werden müsse. Unklar sei, was mit den Altfällen passieren soll. Eine zentrale Anlaufstelle wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, so Thorn. Psychosoziale Fachkräfte könnten dort die Kontaktanbahnung zwischen Kind und Spender begleiten. Auch bedürfe es dann einer wissenschaftlichen Evaluation. Insgesamt sei es aber ein prima Gesetzesentwurf mit Ergänzungspotential.
Auch beim Thema der Mehrelternschaft müssten unterschiedliche Ebenen berücksichtigt werden, ergänzte Prof. Ulrike Schmauch ergänzte. Es ginge nicht nur um Machbarkeit oder Planbarkeit, sondern es sollte auch Raum für Gefühle, für Angst und Zweifel gelassen werden. Was wir dringend bräuchten sei auch eine Diskussion über Licht und Schatten der Leihmutterschaft, so Schmauch. Sie plädierte dafür, nicht für ein Recht auf ein leibliches Kind um jeden Preis zu streiten. Es brauche vielmehr eine ehrliche Beratung, die alle Ebenen des Kinderwunsches mit einbeziehe und auch thematisiert – eben auch die Probleme, die auftauchen können. Constanze Körner merkte an, dass auch Regenbogenfamilien einem nicht unerheblichen Druck ausgesetzt seien. Äußerlich entstehe manchmal der Eindruck, dass es Kindern in Regenbogenfamilien besonders gut gehen müsse und die Ansprüche an Regenbogeneltern deutlich höher seien als an heterosexuelle Eltern.
In Bezug auf das Thema Samenspende fügte Prof. Dethloff noch einmal hinzu, dass es bei der privaten Samenspende auch einer rechtlichen Regelung bedürfe. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung greife zu kurz. Hier sehe sie noch erheblichen Handlungsbedarf. Auch die Themen Elternschaftsvereinbarung und Co-Elternschaft müssen durch das Bundesjustizministerium geregelt werden. Hier werde Klarheit benötigt, so die Juristin. Auch bei Fragen der rechtlichen Anerkennung von Leihmutterschaften, die im Ausland geschlossen wurden, gäbe es noch erheblichen Schwierigkeiten.
Abschließend stellte Gabriela Lünsmann fest, dass die Öffnung der Ehe ein wichtiger Schritt für Regenbogenfamilien sei, aber erst eine Modernisierung des Familienrechts, die Absicherung der Kinder in den verschiedenen Familienkonstellationen nachhaltig verbessern könne.
René Mertens
LSVD-Bund-Länder-Koordination