Runder Tisch nicaraguanischer LGBTI-Organisationen in Managua
Rund 40 Aktivistinnen und Aktivisten aus fast allen Regionen Nicaraguas und einige ihrer Bündnispartner kamen gestern zu einem Runden Tisch zusammen, um sich über ihre Erfahrungen in der politischen Arbeit und bei der Allianzenbildung auszutauschen.
Das Treffen fand im Rahmen eines Projektes über Organisationsentwicklung und Kommunikationsstrategien statt, das die Hirschfeld-Eddy-Stiftung und ihr Kooperationspartner, das Red de Desarrollo Sostenible (Netzwerk für Nachhaltige Entwicklung) mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes seit Anfang 2014 in dem mittelamerikanischen Land durchführen.
Ich hatte Gelegenheit, den überwiegend sehr jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die Erfahrungen, die wir in Deutschland gemacht haben, über Lehren aus der Geschichte, die Entwicklung in Deutschland und Europa, unsere Überzeugungsarbeit auf EU-Ebene sowie Fortschritte und Herausforderungen in unserem Engagement zu berichten. Großes Interesse bestand an den Themen Kooperation mit der Politik, Sensibilisierung von Entscheidungsträgerinnen und ‑träger und Strategien zur Bekämpfung homo- und transphober Tendenzen, die auch in Europa wieder auf dem Vormarsch sind.Vertreterinnen und Vertreter von 15 LGBTI-Organisationen präsentierten Ergebnisse ihrer Arbeit, teilten Erfahrungen und diskutierten Vor- und Nachteile erprobter Strategien der politischen Sensibilisierungs- und Bündnisarbeit auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Die Resultate waren ebenso beeindruckend wie die Vielfalt und das Engagement der vertretenen Organisationen.
Die Jugendorganisation Casa de los Colores (Haus der Farben) aus León arbeitet seit drei Jahren erfolgreich gegen die Diskriminierung von LGBTI durch die Behörden ihrer Stadt. Mehrere Bereiche des städtisch-kulturellen Lebens wurden identifiziert, in denen LGBTI bislang außen vor gelassen wurden. Nach Bündnissen mit Frauenorganisationen, der Politik und anderen LGBTI-Gruppen werden auch sie nunmehr zur Teilnahme an Veranstaltungen eingeladen, zu allen für sie relevanten Themen angehört und von ihren Bündnispartnern bei den unterschiedlichsten Anliegen um Unterstützung gebeten. Dadurch erreichen sie für ihre Anliegen einen viel größeren Personenkreis als je zuvor.
Sehr interessant waren die Berichte über kulturelle Aspekte der Arbeit. Initiativen wie das Teatro Nueva Generación aus Somotillo, die Agrupación de Mujeres Trans y Culturales aus Managua oder der Club Metamorfósis binden ganz bewusst Straßentheater, Schattentheater und das Spiel mit Masken, Schminke und Verkleidung in ihre Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit ein und erzielen beachtliche Erfolge: Sie erreichen auf diesem Weg viele Menschen, es gelingt ihnen eine klare Botschaft zu vermitteln und sie sind überzeugt, mit dieser Arbeit einen Beitrag zum sozialen Wandel in ihren Heimatstädten zu leisten.
Viele Aktivistinnen und Aktivisten berichteten von den guten Erfahrungen, die sie in der Zusammenarbeit mit den Medien gemacht haben. Neben mehrerer im Rahmen des Projektes durch RDS angeboten Workshops zu den Themen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Videoproduktion und Radiointerviews leistet vor allem der im vergangenen Jahr erarbeitete Leitfaden für Journalistinnen und Journalisten zur LGBTI-Berichterstattung wertvolle Dienste.
Schockierende Informationen über die Zustände im Nachbarland Honduras lieferten mehrere Aktivistinnen, die aus Matagalpa, Somotillo, Estelí und anderen Regionen im Norden Nicaraguas nach Managua gekommen waren. Die transphobe Gewalt habe dort erschreckende Ausmaße angenommen: Matan a una trans como matan a un perro. Transfrauen werden wie Hunde ermordet, man mache keinen Unterschied.
Einige Transfrauen hoben die Bedeutung ihrer Kooperation mit feministischen Organisationen oder Frauenverbänden hervor. Gemeinsam streite man für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, gegen das strikte Abtreibungsverbot im Land, für sexuelle und reproduktive Rechte und gegen überkommene Geschlechterrollen wie etwa die aufgezwungene Mutterschaft. Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert sehr gut, hier leisten die Transfrauen wichtige Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, um die transphobe Gewalt einzudämmen und um Fällen von Missbrauch durch Polizeikräfte vorzubeugen.
Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführer
weitere Berichte über unsere Projektarbeit in Nicaragua im LSVD-bLOG und auf der Seite der Hirschfeld-Eddy-Stiftung