Seit 1999 unterstützt das Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES) des LSVD Berlin-Brandenburg geflüchtete Menschen. Ein Interview mit MILES-Projektleiterin Jouanna Hassoun.
Liebe Jouanna, du wurdest am 1. Oktober 2015 für dein Engagement für Flüchtlinge mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet. Wer hat dir den Orden überreicht? Und wofür genau hast du ihn bekommen?
Der Berliner Senat hat in seiner Sitzung am 8. September 2015 beschlossen, mich mit dem Verdienstorden auszuzeichnen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat ihn mir schließlich im Rahmen einer Feierstunde am 1. Oktober 2015 im Berliner Rathaus überreicht. Gewürdigt wurde mein ehrenamtliches Engagement bei der medizinischen Erstversorgung von „Moabit hilft“. Darüber hinaus hab ich im Sommer 2015 die spendenfinanzierte Sprachakademie für homosexuelle und transgeschlechtliche Flüchtlinge ins Leben gerufen.
Nicht nur in deiner Freizeit, sondern auch beruflich unterstützt du queere Flüchtlinge. Mit welchen Problemen wenden sie sich an dich?
Als Projektleiterin von MILES unterstütze ich die Menschen insbesondere im Rahmen der psychosozialen Beratung. In 2015 fanden über 1.400 Beratungen statt. Das Thema Gewalt hat dabei in den vergangenen Monaten einen sehr
großen Raum eingenommen. Allein von August bis Dezember haben sich 95 Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, an mich gewendet. Neben Fällen von Nötigungen und Schlägen gab es auch Messerattacken, Armbrüche und sexuelle Übergriffe. Die Massenunterkünfte sind keine sicheren Orte für homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen. Wir waren häufig rund um die Uhr damit beschäftigt, Hostelplätze und private Wohnungen zu organisieren.
Seit Februar gibt es eine Unterkunft nur für Homosexuelle und Transgeschlechtliche in Trägerschaft der Schwulenberatung Berlin. Das Problem ist damit gelöst?
Noch nicht. Von 122 Wohnplätzen können
bisher nur 18 in der Notunterkunft genutzt werden. Die Gemeinschaftsunterkunft öffnet erst im April. Wir können zwar auf eine andere Notunterkunft für Schutzbedürftige ausweichen. Eine andere geeignete Gemeinschaftsunterkunft gibt es aber nicht. Zudem kann es doch nicht sein, dass die meisten Flüchtlingsunterkünfte faktisch rechtsfreie Räume sind.
Was macht Ihr dagegen?
Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Unser Ziel ist unter anderem, die Anzeigebereitschaft zu erhöhen. Zugleich müssen wir die heterosexuellen Flüchtlinge für die Themen Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit sensibilisieren. Wir kooperieren hier sehr eng mit der AWO Berlin.
In der Runde der gemeinnützigen Heimleitungen in Berlin konnten wir mit Unterstützung der Caritas unsere Angebote bekannt machen. Plakate und Flyer werden seitdem bei mehreren Trägern
ausgelegt.
Wie zufrieden seid Ihr mit dem Flüchtlings-management des Berliner Senats?
Da ist noch Luft nach oben. In anderen Bundesländern scheint es weniger chaotisch zu laufen.
Wie kann man Euch unterstützen?
Zur Finanzierung vieler unserer Hilfs- und Unterstützungsangebote sind wir nach wir vor auch auf Spenden angewiesen. Diese können z.B. unter www.berlin.lsvd.de/spenden getätigt werden.
Herzlichen Dank und viel Erfolg!