Bushido beschäftigte uns erstmals 2005. Damals hieß es in einem seiner Songs „Ihr Tunten werdet vergast“, weshalb wir Anzeige erstatteten. Damals zog Bushido die Songzeile zurück. Im Sommer 2007 machte die Zeitschrift Bravo den Bock zum Gärtner und meinte, Bushido bei einem „Konzert gegen Jugendgewalt“ am Brandenburger Tor eine Bühne bieten zu müssen. Und das, obwohl der Rapper für seine homophoben Gewaltaufrufe („wir verkloppen jede Schwuchtel“) bekannt war. Der LSVD Berlin-Brandenburg protestierte vergeblich, die Bravo hielt, unterstützt vom damaligen Berliner Schulsenator Zöllner, an Bushido fest. Während des Konzertes äußerte sich Bushido abfällig über Schwule, zeigte Protestierenden demonstrativ den Stinkefinger und rief von der Bühne “Die Wichser können demonstrieren, sich aufhängen — ich scheiß drauf.” Der blamierte Schulsenator sah sich zu einer deutlichen Distanzierung gezwungen.
2008 verteidigte der Intendant des Hessischen Rundfunks in einem Brief an den LSVD die Konzertpräsentationen Bushidos im Jugendradio YOU FM. Der Interpret habe am Anfang seiner Karriere „viele derbe Geschmacklosigkeiten … und auch schwulenfeindliche Äußerungen von sich gegeben“, doch nunmehr sei er „Mainstream“, verkaufe „Hunderttausende von CDs“ und „die deftige Sprache der Hip Hopper, die bei der älteren Generation mindestens für heftiges Stirnrunzeln“ sorge, werde, so verharmloste der Intendant die Mordaufrufe des Interpreten, „von den jungen Hörern oftmals anders empfunden.“
Im November 2011 wurde bekannt, dass der Burda-Verlag dem erklärten Schwulenhasser Bushido den Bambi 2011 in der Kategorie Integration verleihen werde. In der Begründung des Burda-Verlages hieß es, der Musiker setze sich ein „gegen Gewalt und für ein respektvolles Miteinander“. Erneut wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Wir wiesen den Verleger auf den krassen Missgriff hin. Bushido hetze seit Jahren gegen Homosexuelle und rufe in Liedtexten unverblümt zur Gewalt gegen Schwule auf. Wir fragten, ob der Burda-Verlag blind sei gegenüber Hasstexten und Gewaltaufrufen, wenn sie sich gegen Schwule richten? Alle Warnungen waren vergeblich, eine Antwort blieb der Verlag uns damals schuldig.
So griffen wir jetzt zum Mittel des Offenen Briefes. In seinem neuen Song „Stress ohne Grund“ hetzt Bushido erneut in unerträglicher Weise gegen Homosexuelle und singt vom Mord an Politikerinnen und Politikern. Wir stellten also erneut Strafanzeige gegen Bushido. Und dem Verleger Dr. Hubert Burda schrieben wir, die Bambi-Jury müsse die Preisverleihung an Bushido öffentlich als Fehler eingestehen, jemand, der immer wieder zu Gewalttaten gegen Homosexuelle aufruft, dürfe sich nicht mit einem Preis für gelungene Integration schmücken. Wir forderten Dr. Burda auf, sich endlich öffentlich von der Fehlentscheidung des Jahres 2011 zu distanzieren, gegen homosexuellenfeindliche und Gewalt verherrlichende Tendenzen bei Bushido und in der Gesellschaft Stellung zu beziehen und ein Zeichen der tätigen Reue zu setzen. Wir schlugen vor, dass der Burda-Verlag als Entschuldigung für die Fehlentscheidung und als Zeichen der Einsicht ein schwul-lesbisches Jugend- oder Menschenrechtsprojekt unterstützen könne.
Die Antwort ließ diesmal, sicherlich wegen der umfangreichen Berichterstattung über Bushidos erneute Mordaufrufe, nicht lange auf sich warten. In einer enttäuschenden Antwort verteidigen Philipp Welte, Mitglied des Vorstandes der Burda Holding und „Bunte”-Chefredakteurin Patricia Riekel, beide Mitglieder der Bambi-Jury, die damalige Preisverleihung mit dem Hinweis auf die damals bei Bushido „deutlich sichtbaren Signale für eine Abkehr von Gewaltverherrlichung und Diskriminierung.“ Unsere „Einstellung zu der mittlerweile über zwei Jahre zurückliegenden Entscheidung der Bambi-Jury“ habe man „in der Sache ernst genommen“, man sei sich „bewusst, dass Entscheidungen für polarisierende Personen ebenfalls stark polarisieren.“
Und dann: Die Jury könne sich „nicht verantwortlich machen lassen für Äußerungen oder Handlungen von Preisträgern, die erst nach der Auszeichnung geschehen und in ganz anderen Zusammenhängen stehen.“ Logischerweise sei die Jury „nicht verantwortlich für den Weg, den ein Preisträger in den Jahren nach der Auszeichnung einschlägt.“ Man verleihe „kein lebenslanges Gütesiegel“, übernehme auch „keinen lebenslangen Betreuungsauftrag“ für einen Künstler.
Diese Einstellung ist völlig inakzeptabel. Man will für seine Fehlentscheidungen keine Verantwortung übernehmen, wäscht seine Hände in Unschuld. Mit der gleichen Uneinsichtigkeit, mit der man damals am Preisträger festgehalten hat, ignoriert man heute die Verantwortung, welche man mit der Preisverleihung übernommen hat. Bushido hat sich nicht verändert, auch hat er keinen neuen Weg eingeschlagen, er ist ein Wiederholungs- und Überzeugungstäter. Seine Mordaufrufe und Hetzparolen waren 2011 und auch davor längst bekannt und immer wieder in den Schlagzeilen. Wer hören wollte, hätte hören können und sich so viel Ärger erspart. Auch hätte eine verantwortungsvoll handelnde Jury die Beschädigung des Ansehens ihres Preises verhindern können. Doch andere Beweggründe waren offensichtlich wichtiger. Jury, Redaktion und Verleger haben der Integration einen Bärendienst erwiesen.
Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführer