Schweigen über Homo- und Transphobie
6. März 2015: Die „Saarbrücker Zeitung“ berichtet von einer Hetzjagd. Drei Neonazis hatten in der Stadt Merzig ein schwules Paar beim Einkauf in einem Supermarkt lautstark als „widernatürlich“ beschimpft, verfolgt und massiv bedroht. Vom Personal des Supermarkts griff offenbar niemand ein. Einer von vielen Fällen, in denen sich hasserfüllte Homo- oder Transphobie in Beleidigungen, Bedrohungen, Schlägen oder Tritten austobt.
19. März 2015: Der Bundestag beschließt ein Gesetz zur stärkeren Ahndung von Hasskriminalität. Auf den Weg gebracht und politisch verantwortet hatte es Bundesjustizminister Heiko Maas, der auch SPD-Vorsitzender im Saarland ist. Durch eine Änderung im Strafrecht soll erreicht werden, dass Hasskriminalität bei der Strafzumessung stärker gewichtet wird und dass die Staatsanwaltschaft menschenverachtende Motive der Täter bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig und besser aufklärt. Benannt werden „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Ziele der Täter. Von homophob oder transphob motivierten Gewalttaten findet sich im Gesetzestext kein Sterbenswörtchen. Sehr weit hinten in der Begründung findet man dann den Hinweis, dass unter der Sonstiges-Rubrik auch die „sexuelle Orientierung“ eines Opfers verstanden werden könne.
Diese Ungleichbehandlung, dieses Abschieben ins „Sonstige“ ist für die Opfer ein Tritt in die Kniekehle. Denn alle Erfahrung zeigt: Wenn homo- und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen kaum Beachtung. Wer macht sich schon die Mühe, im Bundestagsarchiv nachzuforschen, was da mal in der Begründung stand? Auch für die eminent wichtige Aus- und Fortbildung von Polizeikräften und Justizpersonal muss man vorhersagen: Was nicht im Gesetz steht, findet dort nicht statt.
Wir haben hier ein klassisches Beispiel kalter struktureller Exklusion. Dabei hieß es noch im Koalitionsvertrag für die derzeitige Bundesregierung so schön: „Wir verurteilen Homophobie und Transphobie und werden entschieden dagegen vorgehen.“ Schon bei der ersten Gelegenheit, das in konkrete Politik umzusetzen, hat die Koalition ihr Versprechen gebrochen. Und sie wussten, was sie taten. Der LSVD hatte in einer eindringlichen Stellungnahme Alarm geschlagen, auch in der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages gab es massive Kritik am selektiven Vorgehen. Gefruchtet hat es nichts. Die Bundesregierung hat alle Einwände der Fachleute ignoriert und sich auf keinerlei Diskussion eingelassen.
Im Bundestag betonten zwar einige Redebeiträge, homophobe Gewalt sei schon mitgemeint. Ein Argument, warum sie dann nicht mitgenannt wird, war aber nicht zu hören. Es ist unfassbar: Ende des 19. Jahrhunderts hatte Oscar Wilde den Satz geprägt, Homosexualität sei eine „Liebe, die in diesem Jahrhundert ihren Namen nicht nennen darf“. Jetzt im 21. Jahrhundert ist Homophobie eine Form der Hasskriminalität, die im deutschen Strafrecht immer noch nicht genannt werden darf.
Nachbesserung erforderlich
Nun muss der LSVD wieder einmal viel Energie aufwenden, ein schlechtes Gesetz nachzubessern. Denn auch symbolische Gesetzgebung ist gefährlich, wenn sie falsche Signale sendet. Und das geschieht hier, indem Homo- und Transphobie unter „ferner liefen“ verbucht werden. In anderen westlichen Ländern, die sich ernsthaft um eine Erfassung und Sichtbarmachung des Problems der Hasskriminalität bemühen, zeigen die Statistiken: Angriffe wegen der sexuellen Orientierung bilden mit über 20 Prozent nach rassistischen Gewalttaten die zweitgrößte Gruppe der Hassdelikte – so z.B. die letzten Zahlen aus den USA. In Deutschland herrscht dagegen bei homo- und transphober Gewalt ein skandalöses „Under-reporting“. Das neue Gesetz sorgt dafür, dass das so bleibt. Das kann nicht das letzte Wort sein.
Günter Dworek, LSVD-Bundesvorstand