Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas stellt Kampagne gegen Antiziganismus vor
Anlässlich des Romaday 2016 am 08. April und auf Initiative des Vereins RomaTrial und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat sich 2015 ein gesamtgesellschaftliches Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas gebildet. Auch der LSVD ist neben u.a. Amnesty International, der Diakonie, dem Paritätische Gesamtverband, des Zentralrats der Juden oder dem Maxim Gorki Theater Partner des Bündnisses.
Heute wurde im Rahmen einer Pressekonferenz im Bundespresseamt die Kampagne gegen Antiziganismus vorgestellt.
Arne Friedrich, ehem. Fußballnationalspieler, Gründer der »Arne Friedrich-Stiftung. Gesundheit, Bildung und soziale Integration«, machte deutlich das er sich als Partner des Bündnisses dagegen wehren möchte, dass Menschen immer noch ausgegrenzt werden. Er berichtete den Anwesenden auf der Pressekonferenz auch von einem Profifußballer, der seine Identität als Roma noch immer verschweigen muss, um Stigmatisierung und Ausgrenzung zu entgehen. Arne Friedrich geht es besonders um das Thema Bildung. Mit seinem Pilotprojekt Verantwortung — Integration - Freundschaft möchte er auch jungen Sinti und Roma gleichberechtigte Bildungschancen zu ermöglichen.
Er wurde dabei unterstützt von Nizaqete Bislimi, Anwältin für Ausländerrecht und Vorsitzende des BundesRomaVerbandes.
Bislimi unterstrich, dass junge Sinti und Roma heute nicht mehr den Weg gehen könnten, den sie vor vielen Jahren gegangen ist.
“Ich habe es satt als Paradebeispiel für gelungene Integration zu stehen”, betonte die engagierte Anwältin, die als Kind nach Deutschland geflüchtet war und es hier von der Asylbewerberin zur Anwältin geschafft hat.
“Durch die verschärften Asylgesetze und das drohende Asylpaket II, haben Sinti und Roma, die heute aus vermeintlich sicheren Balkanstaaten fliehen, überhaupt keine Chance mehr als Flüchtlinge anerkannt zu werden”, sagt sie in ihrem Plädoyer für eine menschenrechtsorientierte Politik. Die Anträge würden oft ohne jede weitere Prüfung abgelehnt.
“Dieses Vorgehen widerspricht dem verfassungsmäßigen Recht auf Asyl”, sagte Bislimi.
Im Kosovo, Mazedonien oder Serbien werden Sinti und Roma heute immer noch gesellschaftlich stigmatisiert.
“Mancherorts würde ihnen noch nicht einmal beim Bäcker ein Brot verkauft”, pflichtete ihr Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Initiator des Bündnisses, entschlossen bei.
“Die Bundesrepublik erklärte den Kosovo für sicher, während die NATO dort noch einen laufenden Einsatz hat. Wie passt das zusammen ?”, fragte die junge Anwältin. Gleichfalls richtet sie sich auch empört an die Regierungsparteien: “Wie kann es sein, dass man heute immer noch Roma an der deutschen Grenze in Lager steckt? Sind wir Geschichtsvergessen?”
Gefragt, welchen Appell sie an die deutsche Regierung senden möchte, sagte sie:
“Es ist nie zu spät, einen Fehler rückgängig zu machen. Durch das Asylpaket II wird alles, was wir bisher erreicht haben rückgängig gemacht. Ich hoffe, dass Bundespräsident Gauck das Gesetz nicht unterzeichnen wird.”
Uwe Neumärker erinnerte auch daran, dass das Bündnis am 08. April 2016 um 12:00 am Brandenburger Tor auf die prekäre Situation der Sinti und Roma aufmerksam machen wird.
“Antiziganismus ist heute in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Über Roma wird in der Regel nur diskreditierend berichtet, Vorurteile dienten oft als Beiwerk”, betonte er. “Dieser Teil unserer Gesellschaft habe 2016 immer noch keine Fürsprecher_innen”, fügte er hinzu.
“Im April wollen wir die Öffentlichkeit mobilisieren, um gegen dieses Unrecht anzukämpfen”, so Neumärker. “Formal gehöre diese Minderheit zu einer der vier national anerkannten Minderheitengruppen, jetzt müssen den Wortbekenntnissen endlich auch Taten folgen”, unterstrich er weiter.
Zentral für die Kampagne ist ein gemeinsamer Appell, an die Bürgerinnen und sich gegen die Ausgrenzung von Sinti und Roma auszusprechen und die Forderungen für Akzeptanz und gleichberechtigte Teilhabe (LINK) zu unterzeichnen.
Sinti und Roma – Europas größte Minderheit – erleben in ganz Europa Vorurteile, Ausgrenzung und Benachteiligung. Dieser Rassismus hat in den vergangenen Jahren europaweit eine neue Dimension erreicht. Auch in Deutschland sind die seit vielen Generationen hier beheimateten Sinti, die in den letzten Jahrzehnten zugewanderten und die derzeit asylsuchenden Roma Antiziganismus in allen Lebensbereichen ausgesetzt. In der Mehrheitsgesellschaft gibt es bisher praktisch keine Fürsprecher. Es sind vor allem Angehörige der Minderheit selbst, die auf den Antiziganismus und dessen schwerwiegende Folgen hinweisen. Es ist jedoch unser aller Aufgabe roma- und sintifeindliches Denken und Handeln zu benennen, zu verurteilen, und den Betroffenen ihre Solidarität auszusprechen.
LSVD-Bundesvorstand Helmut Metzner ist übrigens auch im Kinospot der Kampagne “Solidarität mit den Sinti und Roma Europas” zu sehen.
Alle weiteren Informationen findet ihr unter: www.romaday.org
René Mertens
Bund-Länder-Koordination