#IENicosia2016 — „Power to the People — Celebrating 20 Years of the Strength within“. Klaus Jetz berichtet von der größten LSBTI-Konferenz Europas.
Heute Abend wird im Präsidentenpalast der zypriotischen Hauptstadt die 20.ILGA-Europe Konferenz feierlich mit einem Empfang eröffnet werden. Mit 365 Teilnehmer*innen ist das Ereignis auch in diesem Jahr die größte LSBTI-Konferenz Europas. Unter dem Motto „Power to the People — Celebrating 20 Years of the Strength within“ feiern die Delegierten nicht nur die in den letzten beiden Jahrzehnten erkämpften Fortschritte, sondern sie werden auch über neue Gefahren, wie dem sich auf dem Kontinent ausbreitenden Rechtspopulismus und über Hasskriminalität diskutieren. Darüber hinaus befinden sich natürlich auch die Themen „Vielfalt der Familienformen“ und die „Situation von LSBTI-Geflüchteten“ auf der Agenda der Konferenz. Im Mittelpunkt aber stehen die Schwerpunkte „Intersektionalität“ und „Vielfalt innerhalb des Dachverbandes“. Hier geht es vor allem um die Fragen, wie die Bewegung noch vielfältiger und inklusiver werden kann. Das Ziel, mit gutem Beispiel vorangehen und bestes Vorbild für die Gesamtgesellschaft sein.
In Zypern hat die LSBTI-Bewegung, auch dank Europas, viel erreicht. Erst vor knapp 20 Jahren wurde gleichgeschlechtliche Liebe entkriminalisiert, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 1993 im Fall Modinos vs. Zypern geurteilt hatte, dass das homophobe Strafrecht der Republik Zypern ein Eingriff in die Privatsphäre des Beschwerdeführers und ein Verstoß gegen Art. 8 der EMRK darstellt. In den letzten fünf Jahren feierte die LSBTI-Bewegung dann ein Erfolg nach dem anderen. Zunächst gründete sich 2011 Accept–LGBT Cyprus, Gastgeber der diesjährigen ILGA-Konferenz und bislang die einzig registrierte LSBTI-Organisation der Republik Zypern. Im Januar 2014 folgte die Entkriminalisierung in der Türkischen Republik Nordzypern und im Mai 2014 fand die erste Cyprus-Pride in beiden Inselteilen statt. Im Jahr 2015 folgten dann schließlich das Verbot homophober und transphober Hasspredigten und das Gesetz über eingetragene Partnerschaften in der Republik Zypern.
Es bleibt aber noch viel zu tun, so die lokalen Gastgeber*innen. Sie rechnen sich jedoch gute Chancen aus, die eigene politische Agenda weiter voranzubringen. Die Präsenz so vieler Aktivist*innen und Politiker*innen aus Europa, wird dem Thema „Vielfalt & Akzeptanz von LSBTI“ auf Zypern einen neuen Schub geben und hoffentlich auch für mehr Bewusstsein in der Bevölkerung und ein größeres Engagement des Gesetzgebers sorgen. Besonders in den Bereichen Transsexuellengesetzgebung, Bekämpfung von Homophobie und Transphobie und auch bei der vollen Gleichstellung von Regenbogenfamilien, einschließlich des gemeinsamen Adoptionsrechts, ist der Gesetzgeber gefragt bestehende Regelungen zu reformieren. Auch im türkischen Nordteil der Insel soll die Konferenz für mehr Sichtbarkeit der lokalen LSBTI-Community sorgen.
Das Konferenz-Logo in Regenbogenfarben erinnert an den Grundriss der alten venezianischen Befestigungsanlage. Nikosia ist seit über 1000 Jahren Hauptstadt der Insel, seit über 40 Jahren geteilt und damit die letzte geteilte Hauptstadt Europas. Im Nordteil der geteilten Stadt, in Lefkoşa, Hauptstadt der allein von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, sind ebenso LSBTI-Organisationen aktiv und streiten für mehr Akzeptanz und gleiche Rechte. Mehrere Aktivist*innen von Queer Cyprus oder Envision Diversity aus Lefkoşa nehmen ebenso an der Konferenz teil. Zudem sind für interessierte Konferenzteilnehmende, in Nord-Nikosia, Gespräche mit Aktivist*innen und ein Stadtrundgang mit LSBTI-Führung vorgesehen.
Klaus Jetz
Geschäftsführer LSVD-Bundesverband