Interview mit Richard Lemke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität und Mitautor der 2015 erschienenen Studie „Gay Happiness Monitor“
Tunesien, Marokko und Algerien sollen laut Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten deklariert werden. Der LSVD hat diese Pläne mit Verweis auf die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen in den drei Ländern als „menschenrechtliche Bankrotterklärung“ verurteilt. Welche Ergebnisse hat die 2015 erschienene Studie „Gay Happiness Monitor“ für diese drei Länder gezeigt?
Ich finde es gut, dass Sie zu der Entscheidung der Regierungsparteien Stellung beziehen und auf die Situation sexueller Minderheiten in den drei Staaten hinweisen. Im Winter 2014/2015 haben wir am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität in Kooperation mit PlanetRomeo.com den Gay Happiness Monitor durchgeführt, ein weltweites Forschungsprojekt zur Lebenswirklichkeit homo- und bisexueller Männer. An der anonymen Online-Umfrage haben insgesamt über 115.000 Männer aus 146 Ländern teilgenommen. Aus den drei Ländern Algerien, Marokko und Tunesien waren zusammengenommen 1.337 Männer Teilnehmer unserer Befragung.
Die Ergebnisse untermauern die Ansicht, dass Algerien, Marokko und Tunesien für sexuelle Minderheiten keinesfalls sicher sind. Sexuellen Minderheiten drohen dort nicht nur rechtliche Konsequenzen. Auch nicht nur dann, wenn sie in der Öffentlichkeit bei homosexuellen Handlungen beobachtet werden. Häufig reicht die Vermutung, jemand könne lesbisch, schwul oder bisexuell sein, damit sie oder er in diesen Staaten negative Konsequenzen erfährt.