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Ideen für Projekte: Die Yogyakarta-Prinzipien und die Yogyakarta-Prinzipien Plus 10 (YP+10) für die internationale Projektarbeit nutzen

Sarah Kohrt - Hirschfeld-Eddy-Stifung

Dokumentation eines Vortrags von Sarah Kohrt, Hirschfeld-Eddy-Stiftung bei der Veranstaltung „Do no harm – was heißt das für LSBTI-Projekte?“ Projektworkshop für Interessierte aus der Entwicklungszusammenarbeit am 10. Mai 2022, 12–17 Uhr im REFUGIO, Berlin-Neukölln.

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich hinter den folgenden Links:

Hintergrundbericht
Fotos
Einladung
Begrüßung
Input „Do no harm- but do something“

Yogyakarta+10

Grundlage für LSBTI*-Menschenrechtsarbeit sind die Yogyakarta-Prinzipien (YP). Sie zeigen, was Menschenrechte unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck bedeuten. Diese Perspektive eröffnet Anknüpfungspunkte und Ansatzpunkte auch für die internationale Projektarbeit. 

Hier werden nur einige Aspekte beleuchtet. Bei tieferem Interesse finden sich die vollständigen Yogyakarta Prinzipien und die Yogyakarta Prinzipien Plus 10 (Englisch) zum Download auf der Seite der Hirschfeld-Eddy-Stiftung hier.

Yogyakarta_Prinzipien_Broschuere
I. Was sind die Yogyakarta-Prinzipen?

2006 treffen sich in Yogyakarta (Indonesien) internationale Menschenrechts-Expert*innen aus 25 Ländern. Sie verfassen die „Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“. 29 Artikel zeigen was geschehen muss, damit alle Menschenrechte unabhängig von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität gelten.

II. Die Ergänzung: Yogyakarta-Prinzipen Plus 10 (YP+10)
Yogyakarta+10 Broschure

Zehn Jahre später wurden nach Beratungen mit Expert*innen und deren Forum, das vom 18. bis 20. September 2017 in Genf (Schweiz) stattfand die YP+10 als Ergänzung entwickelt. Trans* und Inter*-Aktivist*innen hatten kritisiert, dass die bestehenden 29 Artikel noch nicht genügend erklären, was Menschenrechte unabhängig vom Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmalen (Sexual Orientation, Gender Identity and Expression, and Sex Characteristics [SOGIESC]) sind.

III. Für Staaten – für Projekte – für alle

Menschenrechte formulieren Anforderungen an Staaten. Auch die YP, sie zeigen detailliert auf, was Staaten tun müssen, um Menschenrechte unabhängig von SOGIESC für alle Menschen zu gewährleisten. Die Formulierung lautet in der Regel: „die Staaten müssen… sicherstellen (…)“.
Aber die YP kann man auch als Ansätze für Projektarbeit verstehen, im Sinne von „alle internationalen Menschenrechtsprojekte müssen…“
So heißt es in den weiteren Empfehlungen beispielsweise:
Alle Mitglieder der Gesellschaft und der Internationalen Gemeinschaft stehen im Hinblick auf die Verwirklichung der Menschenrechte in der Pflicht. Deshalb empfehlen wir, dass (…) humanitäre Organisationen die vorliegenden Prinzipien bei allen humanitären oder Hilfseinsätzen berücksichtigen und bei der Bereitstellung von Hilfe und anderen Diensten jegliche Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität unterlassen.“

IV. Themen, die in den YP aufgegriffen werden Ansatzpunkte für Projekte

Privatsphäre, Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit, Armut, angemessener Lebensstandard, Wohnraum, Bildung, Gesundheitswesen, physische und psychische Gesundheit, Reisefreiheit, politische Teilhabe, Familiengründung, Kindeswohl, Asylrecht, Kultur, Wahlrecht.

V. Beispiele für konkrete Anforderungen

Prinzip 14: Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard

… Zugang zu ausreichender Nahrung, sauberem Trinkwasser sowie geeigneten sanitären Einrichtungen und Kleidung ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gewährleisten.“

Prinzip 17: Das Recht auf das höchstmögliche Maß an Gesundheit

alle Menschen (müssen) ohne Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge und gesundheitsbezogenen Waren und Dienstleistungen, einschließlich solcher in Bezug auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit (…) haben.“

Prinzip 18: Das Recht auf Schutz vor medizinischer Misshandlung

… sicherstellen, dass sexuelle Orientierungen oder geschlechtliche Identitäten im Rahmen medizinischer oder psychologischer Behandlungen oder Beratungen weder explizit noch implizit als Erkrankungen betrachtet werden, die behandelt, geheilt oder unterdrückt werden sollten.“

Prinzip 24: Das Recht auf Familiengründung

Jeder Mensch hat unabhängig von seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität das Recht, eine Familie zu gründen.“

Deshalb müssen, alle erforderlichen … Maßnahmen ergriffen werden, um das Recht auf Gründung einer Familie ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität zu gewährleisten“

Prinzip 34: Das Recht auf Schutz vor Armut

Dazu gehört „die soziale und ökonomische Inklusion von Personen …, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihres Geschlechtsausdrucks und ihrer Geschlechtsmerkmale ausgegrenzt werden…. Angemessene institutionelle Maßnahmen und die Erhebung von Daten mit dem Ziel der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmalen gewährleisten“

Prinzip 35: Das Recht auf sanitäre Grundversorgung

… das Vorhandensein adäquater öffentlicher Sanitäreinrichtungen garantieren, die von allen sicher und mit Würde benutzt werden können, unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen.“

VI. Menschenrechte für LSBTI* sind keine Sonderrechte

In den Yogyakarta-Prinzipien werden die Begriffe Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* sind nicht erwähntd.h. – es geht nicht um Sonderrechte, es sind keine neuen Rechte, sondern es geht um die Anwendung geltender Menschenrechtsprinzipien.

Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung hat 2008 mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amts die offizielle deutsche Übersetzung herausgegeben. 2020 mit Mitteln des Justizministeriums die Yogyakarta-Prinzipien Plus 10 ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht. Sie sind sehr lesenswert!

Bitte nutzt sie/nutzen Sie sie!

Sarah Kohrt, Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Die Yogyakarta-Prinzipien und die Yogyakarta-Prinzipien+10 sind auf der Website der Hirschfeld-Eddy-Stiftung kostenlos als PDF und gedruckt in deutscher Übersetzung erhältlich.

Eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts: „Do no harm – Risiken für LSBTI in der internationalen Projektarbeit minimieren“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Alle Beiträge im Rahmen des Projekts sind im Blog unter dem Tag „DNH-2022″ zu finden.

BMJ
HES


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